Low-Code in der Verwaltung: Allheilmittel oder strategische Falle? Ein Kompass für Entscheider
Low-Code in der Verwaltung: Allheilmittel oder strategische Falle? Ein Kompass für Entscheider

Low-Code in der Verwaltung: Allheilmittel oder strategische Falle? Ein Kompass für Entscheider

Management-Summary

Dieser Beitrag beleuchtet die Verlockungen und Fallstricke von Low-Code-Plattformen für die deutsche öffentliche Verwaltung. Er adressiert die kritischen Fragen und Verantwortlichkeiten, die Führungskräfte in IT, Amts- und Referatsleitungen bei der Betrachtung dieser Technologie berücksichtigen müssen – von der strategischen Einbettung über Datensouveränität und Sicherheit bis hin zu Wirtschaftlichkeit und Personalentwicklung. Ziel ist es, einen Kompass für eine fundierte Entscheidungsfindung zu bieten, der über kurzfristige Effizienzversprechen hinausgeht und eine nachhaltige, werthaltige Digitalisierung ermöglicht.


Der Lockruf der schnellen Digitalisierung – und die Last der Verantwortung

Die Digitalisierung der Verwaltung schreitet unaufhaltsam voran, und der Druck, effiziente sowie bürgerfreundliche Online-Dienste bereitzustellen, wächst stetig. In diesem Kontext erscheinen Low-Code-Plattformen als eine verlockende Lösung: Sie versprechen eine schnelle und kostengünstige Anwendungsentwicklung, gerade angesichts knapper öffentlicher Mittel und des durch das Onlinezugangsgesetz (OZG) forcierten Bedarfs an digitalen Angeboten. Doch für Sie als Führungskraft in der öffentlichen Verwaltung, sei es in der IT, der Amts- oder Referatsleitung, gehen mit dieser Verlockung unmittelbare und weitreichende Verantwortlichkeiten einher. Die Hochglanzversprechen von "schnell und kostengünstig" müssen einer kritischen Prüfung standhalten, die Aspekte wie langfristige Tragfähigkeit, Sicherheit, Compliance und den verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern in den Fokus rückt. Die Sorge vor unkontrolliertem Wildwuchs ("Schatten-IT"), mangelnder Integration in bestehende Systemlandschaften, dem Verlust digitaler Souveränität oder explodierenden Folgekosten ist allgegenwärtig und berechtigt.  

Low-Code – Chance mit Risikopotenzial

Der Einsatz von Low-Code-Plattformen in der öffentlichen Verwaltung birgt das Potenzial, die Digitalisierung zu beschleunigen, Fachbereiche stärker einzubinden und die IT zu entlasten. Dieses Potenzial kann jedoch nur gehoben werden, wenn die Einführung nicht als rein technisches Upgrade, sondern als tiefgreifender strategischer und organisatorischer Veränderungsprozess verstanden und gestaltet wird, der Risiken proaktiv adressiert und eine solide Governance-Struktur etabliert.

Jenseits der Oberfläche – Kritische Fragen an Low-Code

Die Verlockung der schnellen Anwendungsentwicklung durch sogenannte "Citizen Developer" aus den Fachbereichen ist groß. Doch bevor weitreichende Entscheidungen getroffen werden, müssen Führungskräfte eine Reihe kritischer Fragen stellen, die weit über den reinen Funktionsumfang hinausgehen:  

  • Strategische Einbettung und Governance: Wie stellen wir sicher, dass die Einführung von Low-Code nicht als Insellösung erfolgt, sondern integraler Bestandteil der übergeordneten Digitalisierungsstrategie ist? Wie können praxiserprobte Governance-Modelle etabliert werden, die Innovation fördern, aber gleichzeitig Wildwuchs, Sicherheits- und Integrationsrisiken verhindern? Die Einrichtung eines "Center of Excellence" könnte hierbei Standards definieren und Unterstützung leisten.  
  • Datensouveränität, Sicherheit und Compliance: Wie gewährleisten Anbieter digitale Souveränität über den reinen Hosting-Standort hinaus? Wie wird die Einhaltung von BSI-Standards und der DSGVO bei der Entwicklung und dem Betrieb von Low-Code-Anwendungen, insbesondere durch "Citizen Developer", sichergestellt? Wie sehen belastbare Exit-Szenarien aus, um einen "Vendor Lock-in" zu vermeiden?  
  • Integrationsfähigkeit und Fachverfahren: Wie gewährleisten die Plattformen eine robuste und wartbare Integration in die oft komplexen, gewachsenen Fachverfahren und Backend-Systeme der Verwaltung? Wie werden spezifische Anforderungen wie Barrierefreiheit, Aktenkonformität und die Unterstützung des "Einer für Alle"-Prinzips (EfA) adressiert?  
  • Wirtschaftlichkeit und Lebenszyklusmanagement: Geht die Rechnung über die initialen Lizenzkosten hinaus? Eine umfassende Betrachtung der Total Cost of Ownership (TCO) über den gesamten Lebenszyklus – inklusive Implementierung, Schulung, Wartung, Updates und Skalierung – ist unerlässlich. Wie wird die langfristige Wartbarkeit und Updatefähigkeit der Plattform und der darauf erstellten Anwendungen sichergestellt?  
  • Personalentwicklung und organisatorischer Wandel: Welcher Schulungsaufwand ist realistisch, um Mitarbeitende effektiv und sicher zu befähigen? Wie wird die IT-Abteilung tatsächlich entlastet und nicht durch unzureichend entwickelte Anwendungen zusätzlich belastet? Die Einführung von Low-Code ist ein Kulturwandel, der Akzeptanz und neue Kompetenzen erfordert.  

Fazit: Low-Code als Werkzeug, nicht als Wunderwaffe – Der Weg zur strategischen Nutzung

Low-Code-Plattformen sind kein Allheilmittel und nicht die sprichwörtliche "eierlegende Wollmilchsau". Sie können jedoch ein wertvolles Werkzeug sein, um die Digitalisierung voranzutreiben, wenn ihre Einführung strategisch, umsichtig und verantwortungsvoll erfolgt. Die Ängste und Sorgen der Verantwortlichen können adressiert werden, indem folgende Handlungsempfehlungen beherzigt werden:  

  1. Initiieren Sie eine umfassende Bedarfsanalyse und Potenzialbewertung: Klären Sie, welche Kernprozesse und Verwaltungsleistungen tatsächlich von Low-Code profitieren könnten, immer unter Berücksichtigung spezifischer Anforderungen an Sicherheit, Integration und Wirtschaftlichkeit.  
  2. Entwickeln Sie eine Low-Code-Strategie und verbindliche Governance-Richtlinien: Definieren Sie klare Kriterien für die Plattformauswahl, Entwicklung, Betrieb, die Rolle von Citizen Developern, Sicherheitsstandards und Integrationsprotokolle. Verankern Sie Low-Code in Ihrer Gesamt-Digitalisierungsstrategie.  
  3. Prüfen Sie Rahmenverträge und zentrale Angebote: Nutzen Sie Synergien und profitieren Sie von Vorarbeiten, beispielsweise durch interföderale Rahmenverträge oder Angebote wie http://openCode.de .  
  4. Richten Sie ein internes Kompetenzzentrum ein: Eine zentrale Einheit kann die Strategieentwicklung koordinieren, Pilotprojekte evaluieren, Schulungsbedarfe identifizieren und als Ansprechpartner dienen.  
  5. Fordern Sie eine detaillierte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (TCO): Diese Analyse muss über reine Lizenzkosten hinausgehen und alle Lebenszykluskosten realistisch abbilden.  
  6. Investieren Sie in Personalentwicklung und Change Management: Befähigen Sie Ihre Mitarbeitenden durch nachhaltige Schulungsprogramme und begleiten Sie den Kulturwandel aktiv.  
  7. Priorisieren Sie Datensouveränität, Sicherheit und Compliance: Stellen Sie sicher, dass Plattformen und Prozesse den höchsten Standards genügen und keine Abhängigkeiten entstehen, die die staatliche Handlungsfähigkeit gefährden.  

Low-Code bietet Chancen, doch nur eine durchdachte und verantwortungsvoll umgesetzte Strategie ermöglicht es, diese im Sinne des öffentlichen Wohls zu realisieren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu stärken. Es geht nicht darum, die "perfekte" Plattform zu finden, sondern die "beste(n) Lösung(en) für Ihre Behörde".  

Stefan Fey

Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Coburg

3 Monate

Definitiv eine spannende Frage. 🛳️

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