«Das ganze Leben ist Wasser … und ich nannte meine Welt Erde, aber dachte, eigentlich müsste sie Wasser heissen.» (Maja Lunde)
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«Das ganze Leben ist Wasser … und ich nannte meine Welt Erde, aber dachte, eigentlich müsste sie Wasser heissen.» (Maja Lunde)

Es gibt kein Recht ohne Pflichten, aber Pflichten ohne Rechte. Am 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In 30 Artikeln formuliert sie bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte[1].

Diese Erklärung ist das Fundament unserer auf Rechte basierenden Gesellschaft. So sind wir (ich) es stets gewohnt, auf unsere Rechte zu pochen und sie einzufordern. Es tönt ein wenig paradox, dass die Menschenrechte uns auch dazu führen, unsere Pflichten immer ein wenig mehr zu vergessen.

Nach einer mehr als 40-stündigen Marathonsitzung haben sich die Vereinten Nationen nun erneut auf ein Abkommen geeinigt, eines zum Schutz der Hochsee. Mindestens 30% der Meere sollen künftig als Schutzgebiet ausgewiesen werden, schreibt die Deutsche Welle im März diesen Jahres online. Ein 15 Jahre andauernder Streit ist damit zu Ende gegangen. Man sei damit jetzt immerhin einen entscheidenden Schritt vorangekommen. 30% der Meere sollen Schutzzone werden. In einem ersten Moment tönt das nach viel, ist es aber nicht.

Ulrike Herrmann zeigt in ihrem neu erschienen Buch über die Grenzen des Kapitalismus in Zeiten des Klimawandels mit einem Rechenbeispiel von Lijing Cheng auf, was die Weltmeere wegen uns zu leisten haben. Der chinesische Atmosphärenphysiker rechnet vor, dass die Meere bisher 93% der Wärmeenergie, die durch die Klimagase entstanden sind, absorbiert haben. Diese Energiemengen sind schlicht unvorstellbar gross. Cheng zeigt auf, dass wir Menschen den Meeren in den letzten 25 Jahren die Wärme von 3,6 Milliarden Hiroshima-Atombomben zugeführt haben; das entspricht etwa vier Hiroshima-Bomben pro Sekunde[2].

Einige weitere Zahlen sind beeindruckend: Mehr als 80% der irdischen Biomasse besteht aus Pflanzen. Gerade einmal 0,4% machen dagegen tierische Organismen wie Insekten, Fische, Wildtiere und Menschen aus.

Im Vergleich zu diesen 0,4% Biomasse tierischer Organismen ist die Biomasse aller Bakterien (12,8%) und Pilzen (2,2%) deutlich grösser[3]. Im Vergleich zu Mikroben sind wir Menschen so gesehen eine Minderheit auf dieser Erde.

Verteilung der weltweiten Biomasse nach Organismengruppen (Stand 2018):

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Einigen dieser Bakterien kommt eine sehr wichtige Funktion zu – sie produzieren Sauerstoff. Mikroskopisch kleine Algen und photosynthetisierende Bakterien im Meer und in Süssgewässern produzieren ihn. Aktiver Klimaschutz hat somit auch mit dem Schutz von Bakterien zu tun.

Sie produzieren sogar annähernd gleich viel Sauerstoff, wie alle Wälder dieser Welt zusammen. 70% der Erde sind von Wasser bedeckt. Und so sorgen das Meer und das Land gleichermassen für unser (Über)leben [4].

Einen Durchschnittsmenschen begleiten nebenbei gesagt permanent rund 39 Billionen Bakterien. Das macht etwa 2 kg unseres Körpergewichts aus. Das Tragen dieser «Last» lohnt sich für uns. Die meisten dieser Mikroben sind nicht schädlich und leisten einen sehr wertvollen Beitrag für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Eine gesunde Darmflora zum Beispiel beeinflusst nicht nur unsere körperliche Gesundheit, sondern auch unseren Gemütszustand und Psyche. Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen einer gestörten Darmflora und einem erhöhtem Risiko für psychische Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen. Wir brauchen sie mehr als sie uns und wir müssen aufpassen, dass wir diese evolutionär lange gebildete Partnerschaft zwischen uns und den Bakterien durch übertriebene Hygienestandards, falscher Ernährung, leichtfertiger Umgang mit Antibiotika uvm. nicht weiter schädigen. Das Problematische ist, dass sich diese Entwicklung nicht einfach rückgängig machen lässt. Ein Schwund an Mikroben wird mit dem Aufkommen von diversen Erkrankungen in der westlichen Welt assoziiert[5].

Gute Freunde muss man pflegen - auch wenn sie sehr, sehr klein sind. Wir können viel von Mikroben lernen, zum Beispiel, dass wir die Welt und ihre Natur und nicht die Wirtschaft verstehen müssen, um den Klimawandel ehrlich anzugehen. Einen grünen Kapitalismus gibt es sowieso nicht (Rebound Effekt).

  

P.S: Laut Michael Dähne vom Deutschen Meeresmuseum Stralsund können Wale in genügend grosser Anzahl theoretisch wie ein Wald an Land wirken. Ihr Körper ist ein grosser Speicher für Kohlenstoff. Stirbt das Tier, sinkt der Kadaver auf den Meeresboden und lagert dort Hunderte von Jahren. Und da der Kohlenstoff darin langfristig gebunden ist, kann sich daraus auch kein klimaschädliches CO2 bilden. Laut Dähne erreicht ein durchschnittlicher Wal damit eine ähnliche Klima-Wirkung wie 1.375 Bäume. Diese Berechnung ist zwar mit hohen Unsicherheiten behaftet, doch nicht unrealistisch. Wale könnten also eine ähnliche Rolle für den Klimaschutz spielen wie Wälder[6].


[1] Quelle: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

[2] Quelle: Das Ende des Kapitalismus von Ulrike Herrmann

[3] Quelle: www.statista.com

[4] Quelle: Das Meer, das wir zum Atmen brauchen – „Plötzlich Wissen!“ (ploetzlichwissen.de)

[5] Quelle: Warum unsere Helfer-Bakterien verschwinden - quarks.de

[6] Quelle: Gärtner der Meere - Wie Wale zum Klimaschutz beitragen | BR24



Das ist traurig, aber sehr aufschlussreich. und ein gutes Bild 😁

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