Interview mit Christina Jannowitz: Woran krankt unsere Herzgesundheit?

Interview mit Christina Jannowitz: Woran krankt unsere Herzgesundheit?

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind in Deutschland nach wie vor die häufigste Todesursache. Doch trotz signifikanter Fortschritte in der medizinischen Forschung und einer Vielzahl verfügbarer Therapieoptionen bleiben Herausforderungen bestehen. Im Gespräch mit Christina Jannowitz, Senior Medical Advisor bei MSD in Deutschland, beleuchten wir die aktuelle Situation, die Bedeutung von Prävention und Therapieadhärenz sowie die Rolle von MSD in der Weiterentwicklung bei Therapiefortschritten in der kardiovaskulären Medizin.  

Frage: Christina, du verfolgst seit vielen Jahren die Entwicklung auf dem Gebiet der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen. Benötigen wir in diesem Bereich überhaupt noch weitere Forschung? 

Christina Jannowitz: Auf jeden Fall. Das sieht man alleine schon daran, dass kardiovaskuläre Erkrankungen nach wie vor die Todesursache Nummer 1 in Deutschland sind – vor den Krebserkrankungen. 

Allerdings haben Herz-Kreislauf-Erkrankungen vielfach ein Wahrnehmungsproblem: Sie werden unterschätzt. Natürlich ist auch ein Herzinfarkt ein Schicksalsschlag. Aber viele Patient:innen haben nach einer gewissen Zeit das Gefühl, jetzt sei alles gerichtet. Sie haben eventuell einen Stent bekommen, sind auf Reha gewesen und denken: Jetzt ist alles wieder gut. Aber dem ist idR mitnichten so. Denn die Atherosklerose, wegen der sie den Herzinfarkt erlitten habe, ist meist generalisiert im Körper vorhanden. Nur sieht und fühlt man den Zustand seiner Gefäße nicht. 

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Im Jahr 2023 waren wir schon in den Vorjahren Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/08/PD24_317_23211.html)

 Aber wir haben doch therapeutisch in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt, und es steht ein Arsenal an Therapieoptionen zur Verfügung? 

Christina Jannowitz: Das stimmt schon, die Lipidologie ist ein gutes Beispiel. Mit der Einführung der Statine wurde therapeutisch schon ein großer Schritt in die richtige Richtung gemacht. Weitere Behandlungsmöglichkeiten stehen mit den sogenannten PCSK9-Hemmern und der Bempedoinsäure zur Verfügung.   

Dann ist zumindest das Blutfett der Nation mit all diesen Behandlungsoptionen auf Ziel? 

Christina Jannowitz: Leider nein. Vor allem bei den Hochrisikopatienten steht es um die Zielwerterreichung nach wie vor schlecht. Die deutsche und die europäische Gesellschaft für Kardiologie empfehlen beide einen LDL-Zielwert von < 55 mg/dl bzw. 1,4 mmol/l für Patient:innen mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko und <70 mg/dl bzw. 1,8 mmol/l für Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko, sowie eine Lp(a)-Testung mindestens einmal im Leben.

Laut den aktuellen Daten einer Registerstudie (https://herzmedizin.de/meta/presse/dgk-jahrestagung/2025/statements-der-dgk-pressekonferenzen/ergebnisse-der-lipid-snapshots-statement.html) erreichten aber nur 31,5 % der von niedergelassenen Kardiologen und nur 14,4 % der von Allgemeinmedizinern behandelten Patient:innen mit atherosklerotischen Erkrankungen und hohem Risiko den LDL-Zielwert. Und nur bei 20 % bzw. 3 % von ihnen war eine Lp(a) Messung durchgeführt worden. 

Woran liegt es denn, dass trotz unseres Wissens und der vielen Therapieoptionen noch immer so viele Patientinnen und Patienten nicht die LDL-Zielwerte erreichen und wir so viele kardiovaskuläre Todesfälle haben? 

Christina Jannowitz: Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Auf der einen Seite tut einem Lipidpatienten nichts weh. Das ist natürlich grundsätzlich schön, wirkt sich aber negativ auf die Therapietreue aus. Und auch Bewegung und eine gesündere Ernährung – so wichtig sie als Basis der Therapie sind - können nur in Grenzen helfen, weil etwa zwei Drittel der Cholesterinsynthese in der Leber erfolgt. Nur ein Drittel kann durch die Nahrungsaufnahme beeinflusst werden. 

Auf der anderen Seite sehen wir, dass durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die therapeutischen Optionen oft nicht ausgeschöpft werden. Es wird zu oft nur mit einem Statin behandelt. Die Therapie wird zu selten intensiviert. Eine Kombinationstherapie ist die Ausnahme und nicht die Regel, auch wenn kardiovaskuläres Risiko und Blutfettwerte dies erfordern würden. Nur sehr wenige Patient:innen werden zum Beispiel mit einem PCSK9-Hemmer behandelt. Nach einer Registerstudie aus 2022 waren es nur 3 %. 

Wir sehen also zu selten eine aktive Anpassung der Behandlung auf Grundlage der im Labor gemessenen Werte, um die Therapie für die Patient:innen zu optimieren und das Risiko zu verringern. 

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Analyse der medikamentösen Erstlinien-Therapie bei Patienten in Deutschland zwischen 2016-2022 mit hohem & sehr hohem kardiovaskulären Risiko. Grafik nach Katzmann, Grellmann, Leppert, et al. Treatment pathways of lipid-lowering therapies in Germany.

MSD ist zurzeit vor allem für sein Portfolio an Impfstoffen und für Innovationen in der Krebstherapie bekannt. Welche Erfahrung hat das Unternehmen im Bereich der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen? 

Christina Jannowitz: MSD ist bei der Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen in der Vergangenheit bereits sehr stark und innovativ gewesen. Zum Beispiel haben wir in den 90er-Jahren das erste Sartan zur Blutdrucksenkung eingeführt. 

Für die Lipidsenkung haben wir 1987 das erste Statin auf den Markt gebracht. Und auch der erste Cholesterinresorptionshemmer, das den erwähnten synergistischen Ansatz zur Lipidsenkung verfolgt, war in unserem Portfolio. 

Es ist schön zu sehen, dass MSD sich im Bereich kardiovaskulärer Erkrankungen  jetzt wieder verstärkt engagiert. 

Was sind aktuelle Forschungsschwerpunkte von MSD im Bereich kardiovaskulärer Erkrankungen? 

Christina Jannowitz: Im Bereich der Fettstoffwechselstörungen werden klinische Studien durchgeführt.  

Zum anderen haben wir bereits eingeführte Medikamente zur Behandlung der pulmonalen Hypertonie, des Lungenhochdrucks. Dabei handelt es sich um eine schwere kardiovaskuläre Erkrankung, die zwar selten auftritt, unter der die Patient:innen aber sehr leiden. 

Ende August treffen sich die Expertinnen und Experten des Bereiches beim Europäischen Kardiologenkongress in Madrid. Wird MSD dabei sein? 

Christina Jannowitz: Ja, wir sind mit Kongressstand und Symposien bei der Tagung dabei. Und mich selber werden Sie auch bei der ESC-Tagung treffen können, wenn Sie vor Ort sind. 

Martina Flack

Pharmazeutisch-Technische Assistentin bei MSD Deutschland

3 Wochen

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