Organspende – Ein Aufschrei gegen die gepflegte deutschen Gleichgültigkeit!

Organspende – Ein Aufschrei gegen die gepflegte deutschen Gleichgültigkeit!

Ich fange gar nicht lange mit einem sanften Einstieg an. Heute geht's um Leben und Tod. Und zwar im wörtlichen Sinne. Denn während DU diesen Text liest, stirbt vielleicht wieder jemand – weil kein Organ da war. Keine Niere. Kein Herz. Keine Lunge. Vielleicht MEINE. Vielleicht DEINE. Vielleicht von jemandem, den DU kennst. Und weißt du, was ihn oder sie hätte retten können? Kein Wunder, keine High-Tech-Medizin, kein sündhaft teurer Gencocktail. Sondern ein simples Stück Plastik im Portemonnaie: der Organspendeausweis.

Ja, genau DER. Das Ding, das du seit Jahren vor dir herschiebst wie die Steuererklärung oder den Zahnarztbesuch. Nur dass das hier nicht mit einer Mahnung endet, sondern mit einem Tod. Und zwar einem, der nicht sein müsste.


Die nackte Realität: Zahlen, die wehtun sollten. Aber offenbar nicht genug.

8.575 Menschen warten in Deutschland aktuell auf ein Spenderorgan. Die meisten auf eine Niere. 679 von ihnen starben 2024, weil das passende Organ nicht kam. Also ungefähr zwei Menschen – jeden verdammten Tag. Warum? Weil wir ein Land der Bedenkenträger und Totschweiger sind.

953 Organspender gab es 2024. Auf 83 Millionen Menschen. 11,4 Spender pro Million Einwohner. Spanien lacht uns aus – die haben 43,1 pro Million. Österreich: 25. Nur wir Deutschen kleben uns Organe ans Auto ("Ich liebe mein Auto"), aber nicht in den Ausweis. Da sagen 80 %: "Ich würde Organe spenden." Aber nur 15 % haben es wirklich dokumentiert – zum Beispiel in einem Organspendeausweis. Was machen die anderen? Hoffen, dass’s nicht ernst wird?


Angehörige entscheiden – und werden allein gelassen. Brutal allein.

Ich habe mit Angehörigen gesprochen. Mit einer Frau, deren Mann nach einem Hirnaneurysma für hirntot erklärt wurde. Kein Ausweis. Keine Verfügung. Keine Ahnung. Und da steht sie dann, neben piependen Maschinen, aufgewühlt, nicht mal eine Woche nach dem 20. Hochzeitstag – und soll entscheiden, ob seine Organe entnommen werden dürfen. Die Ärzte schauen betreten. Die Pflege schweigt. Die Uhr tickt. Sie sagt Nein. Nicht aus Überzeugung. Sondern weil sie nicht weiß, was richtig ist. Weil niemand das vorher mit ihm besprochen hat. Weil er sich nie entschieden hat.

Ein anderer Fall: Der Sohn stirbt bei einem Motorradunfall. Die Mutter soll plötzlich entscheiden. Sie hat nie mit ihm darüber gesprochen. Sie sagt Ja – und wird bis heute von der Familie dafür kritisiert. Die Entscheidung, die der Sohn hätte treffen müssen, wurde zur Spaltung der Hinterbliebenen. Das ist die Realität, wenn wir unseren Angehörigen diese Bürde hinterlassen. Also sei nicht der Mensch, der sagt: „Ich wollte das doch noch klären…“ –sondern sei der Mensch, der klar ist. Und Verantwortung übernimmt. Auch im Tod.


Der Tod. Immer noch Tabu. Willkommen im Land der Sterbeverdränger.

Wir reden über alles. Über Ernährung. Über Work-Life-Balance. Über Achtsamkeit. Aber wenn das Thema Tod kommt, dann ist plötzlich „bitte nicht jetzt“. Dabei stirbt jeder. Ausnahmslos. Der Tod ist der demokratischste Moment im Leben.

Und wenn wir es schaffen, bei der Geburt alles zu regeln – von Geburtsurkunde über Taufkleid bis zur richtigen Babykamera – dann könnten wir beim Tod doch auch ein kleines bisschen Verantwortung übernehmen. Eine kleine Plastikkarte, die mehr Leben retten kann als alle Globuli zusammen.


Mein Gesicht für deine Entscheidung. Buchstäblich.

Ich bin kein Posterboy. Aber wenn mein kaputtes Gesicht dabei hilft, jemanden aufzuwecken – dann druckt es auf jede Litfaßsäule. Meine Lunge ist durch. Ich werde eine neue brauchen. Und zwar bald. Wenn ich dann auf der Liste lande, dann hoffe ich auf Menschen, die den Mut hatten, eine Entscheidung zu treffen. Nicht auf Menschen, die sich nie festlegen konnten, aber auf den richtigen Instagram-Filter bestanden.

Ich bin selbst Organspender. Obwohl ich krank bin. Ja, ich weiß, vieles wird nicht mehr verwendbar sein. Aber vielleicht hilft mein Auge noch jemandem zu sehen. Oder meine Haut, um Brandopfern Hoffnung zu geben. Oder mein Herz, wenn es mich doch noch überlebt. Und ich will, dass das genutzt wird. Weil ich an das Weitergeben glaube. Nicht an Grabesruhe. An Leben.


Du willst nicht geben – aber würdest sofort nehmen? Echt jetzt?

80 % der Deutschen sagen, sie würden ein Organ annehmen. Nur 15 % haben einen Ausweis. Und jetzt frag dich mal: Würdest du im Ernstfall sagen: „Nein danke, ich war selbst nie bereit, also sterbe ich jetzt freiwillig“? Natürlich nicht. Wir nehmen, was wir kriegen können. Und das macht uns zu moralischen Minimalisten. Oder schlicht zu Heuchlern.

Ich bin böse, ich weiß. Aber ich will nicht lieb sein. Ich will, dass du dich endlich entscheidest. Dieses "Ich weiß nicht" kostet Leben. Jeden Tag.

Und falls du denkst, das betrifft nur andere: Falsch. Ich kenne viele Geschichten. Von jungen Menschen, die nach einer Transplantation plötzlich wieder laufen konnten. Atmen. Singen. Reisen. Eine Frau, Mutter zweier Kinder, war dem Tode nah. Dann kam das Herz. Heute lebt sie – dankbar. Und die Dankbarkeit gegenüber den Spendern ist grenzenlos. Wer einmal miterlebt hat, wie ein Mensch wieder atmet, der begreift, was für ein Geschenk das ist. Nein, kein Geschenk. Ein Wunder.


Was könnte man mit einem Organspendeausweis alles erreichen?

Du könntest bis zu sieben Leben retten. Ja, sieben. Herz, Lunge, Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm – und mit Gewebespenden sogar noch mehr. Hör dir das nochmal langsam an: sieben. Leben. Retten. Während dein Körper in der Erde verrottet oder verbrannt wird, könnten andere leben. Atmen. Lachen. Ihre Kinder großziehen.

Was muss noch passieren, damit wir aufwachen? Eine Pandemie hat uns gelehrt, dass Leben plötzlich zerbrechlich ist. Und was tun wir danach? Schweigen wieder. Vergessen wieder. Wegducken wieder. Willkommen zurück im deutschen Normalzustand: hochversichert, totgeschwiegen, nichts entschieden.


Die Politik? Auch keine große Hilfe.

Wir hatten die Chance auf die Widerspruchslösung. Spanien hat sie. Österreich auch. Dort gilt: Wer nicht widerspricht, spendet. Bei uns? Eine öffentliche Debatte, die sich lascher anfühlte als ein lauwarmer Kamillentee. Am Ende: Entscheidung gegen die Widerspruchslösung. Warum? Weil man den Leuten nichts zumuten will. Man könnte sie ja aus ihrer Komfortzone reißen. Und der Tod, der ist ja so unbequem.

Danke für nichts, Bundestag. Danke für eine Politik, die lieber alles offen lässt, statt endlich Leben zu retten.


Was ich mir wünsche? Wut. Trauer. Entscheidung. Und Ehrlichkeit.

Ich weiß, das Thema ist impulsiv. Es ist emotional. Und es macht vielen Angst. Aber das darf kein Grund sein, zu schweigen. Ich will, dass wir es aussprechen. Klar. Laut. Deutlich. Ich will, dass du verstehst, dass du mit deinem Schweigen auch eine Entscheidung triffst. Eine Entscheidung gegen das Leben anderer.

Denk nicht, du seist unsterblich. Denk nicht, du seist unantastbar. Denk nicht, das geht dich nichts an. Es kann dich morgen treffen. Ein Autounfall. Ein Aneurysma. Plötzlicher Organversagen. Dann liegst du da – und hoffst. Auf genau das, was du anderen nicht geben wolltest. Wie wirst du dann darüber denken?

Wie wird dann deine Moralkeule schwingen?

Ich weiß, ich habe das große Glück, ich weiß, dass ich krank bin. Ich weiß es. Ich kann mich vorbereiten. Ihr nicht. Und das macht eure Überheblichkeit manchmal so ekelerregend. Dieses ständige "Ich bin gesund, mich betrifft das nicht". Doch, tut es. Früher oder später. Und wenn nicht dich – dann vielleicht dein Kind. Dein Partner. Deine Schwester. Und dann? Dann willst du plötzlich Organe. Am besten sofort. Aber gegeben hast du nie.


Was bleibt? Eine Erinnerung. Und ein Appell.

Wenn ich morgen nicht mehr aufwache, hoffe ich, dass wenigstens meine letzten Atemzüge jemand anderem helfen. Und ich hoffe, dass dieser Text dich so wütend macht, dass du endlich was tust.

Mach den Ausweis. Sprich mit deinen Liebsten. Stell dir die Fragen, die du seit Jahren vermeidest. Und dann triff eine Entscheidung, mit der du leben kannst.

Oder mit der jemand anders überleben kann.


Links zum Weiterlesen, Nachdenken, Entscheiden:

Elfira Blumenthal

Kreativ in Vielfalt und offen für neue Normungsprojekte

3 Monate

Die Widerspruchslösung wäre eine gute Entscheidung ●Generell ja zur Organspende 80% ●Widerspruch gegen Organspende 20% Die 20% zukunftsweisend auf dem elektronischen Krankenkassen-Ausweis hinterlegt/dokumentiert.

Lieber Frank Hennemann, ein starker Appell - leider noch immer dringend notwendig. Ich besitze noch die Pappversion (seit 2003 anlässlich einer Leisten-OP) und vielleicht kann mir jemand sagen ob eine Aktualisierung nötig wäre? Insbesondere eine eventuelle Ergänzung für Haut/ Augen etc.? Und der Hinweis mit den "Angehörigen" wird schnellstmöglich in die Tat umgesetzt. Danke auch dafür.

Zeller Gerald

Line Training Captain Legacy 600/650, Citation XL/XLS/,XLS+

3 Monate

Macht es doch wie wir in Österreich, da ist man automatisch Organspender außer man wählt es ab.

Ronald Winter

Tue was du tust, mit Achtung und bedenke die Folgen.

3 Monate

Wie sieht es denn mit Spenden aus von älteren für ältere?

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