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F Gewerblicher Rechtsschutz


F4 Wettbewerbsrecht




Die öffentliche Hand im Wettbewerb mit
privaten Kulturveranstaltern
Grundlagen und Grenzen aus Sicht des Wettbewerbsrechts


Dr. Tobias Holzmüller, LL.M. (NYU)
Rechtsanwalt der Sozietät Gleiss Lutz in München. Nach Studium in Heidelberg,
München und New York arbeitete er zunächst am Max-Planck-Institut für Geisti-
ges Eigentum und Wettbewerbsrecht in München sowie für die Europäische
Kommission. Zu seinen Spezialgebieten gehören das deutsche und europäische
Wettbewerbsrecht sowie das Urheberrecht.


Inhalt                                                                       Seite


1.    Einführung                                                                 2
2.    Rahmen für die zivilrechtliche Überprüfung öffentlichen
      Handelns                                                                   2
2.1   Rechtswegfragen                                                            2
2.2   Mögliche zivilrechtliche Ansprüche                                         4    F
3.    Wettbewerbsrechtliche Prüfung                                              4    4.2
3.1   Unternehmerisches Handeln bzw. geschäftliche Handlung                      5    S. 1
3.2   Unlautere Behinderung § 4 Nr. 10 UWG                                       6
3.3   Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung §§ 19, 20 GWB               11
4.    Ergebnisse                                                                15




Wenn die öffentliche Hand Kultureinrichtungen betreibt oder Kulturveranstaltun-
gen organisiert, tritt sie damit oftmals in Wettbewerb zu privaten Veranstaltern.
Regelmäßig wird von privater Seite dann der Vorwurf erhoben, das – oftmals aus
öffentlichen Mitteln bezuschusste – staatliche Kulturangebot verdränge die privaten
Anbieter vom Markt. Der Beitrag untersucht, welchen wettbewerbsrechtlichen
und kartellrechtlichen Schranken öffentliche Kulturangebote unterliegen und
unter welchen Voraussetzungen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten Aussicht auf
Erfolg genießt.




                                                      57 Kultur & Recht April 2012
F Gewerblicher Rechtsschutz


       F4 Wettbewerbsrecht




       1.     Einführung
       Der Beitrag befasst sich mit einem ebenso umstrittenen wie praxisrelevanten
       Thema: Es geht um die Frage, ob und in welchem Rahmen öffentliche Träger im
       Bereich der Kultur Einrichtungen und Veranstaltungen unterhalten dürfen, die im
       Wettbewerb zu kommerziellen Angeboten privater Unternehmen stehen.

       Die praktischen Beispiele sind vielfältig: Städtische Bibliotheken und Mediathe-
       ken verleihen neben Büchern in zunehmendem Umfang auch Medien wie Filme,
       Audio-CDs und Computerspiele für die auch ein kommerzieller Verleihmarkt
       besteht. Kommunale Kinos bieten Filmvorführungen an, die sich mit den Ange-
       boten privater Kinos überschneiden. Öffentliche Kunst- und Musikschulen offe-
       rieren Kurse, die in ähnlicher Form auch von privaten Schulen angeboten werden.
       Von der öffentlichen Hand veranstaltete Festivals oder Konzerte werden von
       privaten Kulturveranstaltern als Bedrohung wahrgenommen.

       Der Widerstand gegen solche Aktivitäten der öffentlichen Hand ist besonders
       groß, wenn die öffentlichen Angebote – aufgrund staatlicher Zuschüsse, privater
       Sponsoren oder schlicht infolge fehlender Renditeerwartungen – preisgünstiger
       als die der privaten Anbieter verfügbar sind. In diesen Fällen wird häufig der
       Vorwurf erhoben, die öffentliche Hand „verdränge die privaten Anbieter vom
F      Markt“, betreibe unerlaubtes „Preisdumping“ oder wolle den entsprechenden
4.2    Markt „monopolisieren“. Häufig folgt der Gang zu Gericht. Regelmäßig ge-
S. 2   schieht dies in Form von Unterlassungsklagen oder Anträgen auf einstweiligen
       Rechtsschutz, die auf die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wett-
       bewerb („UWG“) oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
       („GWB“) gestützt werden.

       Dieser Beitrag soll erläutern, unter welchen Voraussetzungen solche Ansprüche
       vor deutschen Gerichten erfolgreich sein können und was potenzielle Kläger und
       Beklagte dabei beachten müssen.


       2.     Rahmen für die zivilrechtliche
              Überprüfung öffentlichen Handelns
       2.1    Rechtswegfragen
       Gegen nichtwirtschaftliches, d.h. rein hoheitliches Handeln der öffentlichen Hand
       im Kulturbereich können grundsätzlich keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend
       gemacht werden. Dies ist stets dann der Fall, wenn die öffentliche Hand im
       Über-/Unterordnungsverhältnis tätig wird. Hier kann nur Rechtsschutz zu den
       Verwaltungsgerichten gesucht werden. Keine zivilrechtliche Ansprüche bestehen
       daher z.B. gegen die öffentliche Hand, wenn sie über die ordnungsrechtliche
       Genehmigung bestimmter private Kulturangebote oder über Zuwendungen im
       Rahmen der öffentlichen Kulturförderung entscheidet1.


       57 Kultur & Recht April 2012
F Gewerblicher Rechtsschutz


F4 Wettbewerbsrecht




Allerdings sind nicht alle Aktivitäten der öffentlichen Hand im Kulturbereich
hoheitlicher Natur. Häufig werden öffentliche Kulturangebote aus rechtlicher
Sicht als wirtschaftliches Handeln zu qualifizieren sein. Dies ist stets dann der
Fall, wenn die öffentliche Hand selbst oder durch Tochtergesellschaften als
Marktteilnehmer auftritt, d.h. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die mit de-
nen privater Anbieter tatsächlich oder potenziell im Wettbewerb stehen. Eine
Gewinnerzielungs- oder Kostendeckungsabsicht ist dabei nicht erforderlich.
Daher kann eine wirtschaftliche Betätigung auch vorliegen, wenn die entspre-
chenden Angebote kostenlos sind.

Solche kulturell-wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand können
sowohl Gegenstand verwaltungs- als auch zivilgerichtlicher Kontrolle sein. Wel-
cher Rechtsweg der richtige ist, hängt von der Zielrichtung des Vorgehens ab.
Wendet sich der Kläger dagegen, dass die öffentliche Hand in bestimmten Berei-
chen überhaupt aktiv wird, ist üblicherweise der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
In vielen Bundesländern gibt es z.B. spezielle landesrechtliche Vorschriften, die
eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden untersagen, wenn die entspre-
chende Aufgabe ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt
werden könnten („Subsidiaräritsklauseln“)2. Die Entscheidung einer Kommune,
einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen und in Konkurrenz zu Mitbe-
werbern zu treten, und ihre Vereinbarkeit mit kommunalrechtlichen Vorschriften
über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden unterliegen als solche also       F
grundsätzlich nicht der Nachprüfung durch die ordentlichen Gerichte3. Wendet        4.2
der Kläger aber ein, durch die Art und Weise wie die öffentliche Hand aktiv wird,
                                                                                    S. 3
in seinen wirtschaftlichen Aktivitäten behindert zu werden, kann er dagegen die
Zivilgerichte anrufen. Dies gilt z.B. bei Beschwerden gegen eine verdrängende
Preisgestaltung, gegen die Wahl von Themen und Terminen, die Vorzugsbehand-
lung beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen etc.


  !   Betreibt die öffentliche Hand Kultureinrichtungen im Wettbewerb zu priva-
      ten Angeboten, können private Wettbewerber zur Kontrolle der Rechtmä-
      ßigkeit dieser Aktivitäten grundsätzlich sowohl die Verwaltungsgerichte als
      auch die Zivilgerichte anrufen. Welcher Rechtsweg der geeignete ist, be-
      stimmt sich nach dem verfolgten Klageziel. Die Frage „ob“ der öffentli-
      chen Hand eine bestimmte Betätigung gestattet ist, gehört vor die Verwal-
      tungsgerichte. Wendet sich der Kläger gegen das „wie“ der Betätigung, z.B.
      gegen die Preisgestaltung, sind in der Regel die Zivilgerichte zuständig.




                                                     57 Kultur & Recht April 2012
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       F4 Wettbewerbsrecht




       2.2    Mögliche zivilrechtliche Ansprüche

       Im Zentrum einer möglichen zivilrechtlichen Auseinandersetzung werden typi-
       scherweise Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG bzw. § 33 UWG stehen, mit
       denen ein privater Kulturanbieter von der öffentlichen Hand die Unterlassung
       eines konkreten Verhaltens begehrt. Dabei ist in Anlehnung an das oben Gesagte
       zu beachten, dass die Ansprüche nicht auf eine Unterlassung der staatlichen Akti-
       vitäten insgesamt, sondern nur auf Unterlassung der wettbewerbswidrigen Aus-
       gestaltung gerichtet sein können.

              Der Kläger beantragt, dass es der Beklagten untersagt wird, bestimmte
              klassische Konzerte zu nicht kostendeckenden Preisen anzubieten.

       Auch ein Vorgehen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist dabei möglich.
       Voraussetzung ist allerdings die Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung, die
       es im Einzelfall nachzuweisen gilt.

       Unterlassungsansprüche können grundsätzlich auch durch rechtsfähige Verbände
       für ihre Mitglieder geltend gemacht werden. Allerdings ist dafür nach § 8 Abs. 3
       Nr. 2 UWG zu verlangen, dass die Klage repräsentativ für die Interessen der
       betroffenen Mitglieder des Verbandes ist und nicht lediglich die Individualinte-
F      ressen eines oder weniger Verbandsmitglieder verfolgt4.
4.2
       Theoretisch denkbar wären auch Schadensersatzansprüche nach § 9 UWG bzw.
S. 4
       § 33 GWB für den Fall, dass einem privaten Anbieter durch das wettbewerbswid-
       rige Handeln der öffentlichen Hand ein materieller Schaden entstanden ist.

               Ein privater Konzertveranstalter verlangt von der öffentlichen Hand den
               Gewinn heraus, der ihm aufgrund nicht kostendeckender Konzertveran-
       staltungen der öffentlichen Hand entgangenen ist.

       Für Schadensersatzansprüche sind Verbandskläger allerdings nicht prozessfüh-
       rungsbefugt und aktivlegitimiert. Dasselbe gilt für unselbständige Auskunftsan-
       sprüche zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen.5


       3.     Wettbewerbsrechtliche Prüfung
       Unterlassungsansprüche können in den eingangs beschriebenen Konstellationen
       insbesondere auf die wettbewerbsrechtlichen Behinderungs- und Verdrängungs-
       verbote in § 4 Nr. 10 UWG („gezielte Behinderung“) bzw. §§ 19, 20 Abs. 1 und
       Abs. 4 GWB („Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stel-
       lung“) gestützt werden.




       57 Kultur & Recht April 2012

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Dr. Tobias Holzmüller: Die öffentliche Hand im Wettbewerb mit privaten Kulturveranstaltern

  • 1. F Gewerblicher Rechtsschutz F4 Wettbewerbsrecht Die öffentliche Hand im Wettbewerb mit privaten Kulturveranstaltern Grundlagen und Grenzen aus Sicht des Wettbewerbsrechts Dr. Tobias Holzmüller, LL.M. (NYU) Rechtsanwalt der Sozietät Gleiss Lutz in München. Nach Studium in Heidelberg, München und New York arbeitete er zunächst am Max-Planck-Institut für Geisti- ges Eigentum und Wettbewerbsrecht in München sowie für die Europäische Kommission. Zu seinen Spezialgebieten gehören das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht sowie das Urheberrecht. Inhalt Seite 1. Einführung 2 2. Rahmen für die zivilrechtliche Überprüfung öffentlichen Handelns 2 2.1 Rechtswegfragen 2 2.2 Mögliche zivilrechtliche Ansprüche 4 F 3. Wettbewerbsrechtliche Prüfung 4 4.2 3.1 Unternehmerisches Handeln bzw. geschäftliche Handlung 5 S. 1 3.2 Unlautere Behinderung § 4 Nr. 10 UWG 6 3.3 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung §§ 19, 20 GWB 11 4. Ergebnisse 15 Wenn die öffentliche Hand Kultureinrichtungen betreibt oder Kulturveranstaltun- gen organisiert, tritt sie damit oftmals in Wettbewerb zu privaten Veranstaltern. Regelmäßig wird von privater Seite dann der Vorwurf erhoben, das – oftmals aus öffentlichen Mitteln bezuschusste – staatliche Kulturangebot verdränge die privaten Anbieter vom Markt. Der Beitrag untersucht, welchen wettbewerbsrechtlichen und kartellrechtlichen Schranken öffentliche Kulturangebote unterliegen und unter welchen Voraussetzungen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten Aussicht auf Erfolg genießt. 57 Kultur & Recht April 2012
  • 2. F Gewerblicher Rechtsschutz F4 Wettbewerbsrecht 1. Einführung Der Beitrag befasst sich mit einem ebenso umstrittenen wie praxisrelevanten Thema: Es geht um die Frage, ob und in welchem Rahmen öffentliche Träger im Bereich der Kultur Einrichtungen und Veranstaltungen unterhalten dürfen, die im Wettbewerb zu kommerziellen Angeboten privater Unternehmen stehen. Die praktischen Beispiele sind vielfältig: Städtische Bibliotheken und Mediathe- ken verleihen neben Büchern in zunehmendem Umfang auch Medien wie Filme, Audio-CDs und Computerspiele für die auch ein kommerzieller Verleihmarkt besteht. Kommunale Kinos bieten Filmvorführungen an, die sich mit den Ange- boten privater Kinos überschneiden. Öffentliche Kunst- und Musikschulen offe- rieren Kurse, die in ähnlicher Form auch von privaten Schulen angeboten werden. Von der öffentlichen Hand veranstaltete Festivals oder Konzerte werden von privaten Kulturveranstaltern als Bedrohung wahrgenommen. Der Widerstand gegen solche Aktivitäten der öffentlichen Hand ist besonders groß, wenn die öffentlichen Angebote – aufgrund staatlicher Zuschüsse, privater Sponsoren oder schlicht infolge fehlender Renditeerwartungen – preisgünstiger als die der privaten Anbieter verfügbar sind. In diesen Fällen wird häufig der Vorwurf erhoben, die öffentliche Hand „verdränge die privaten Anbieter vom F Markt“, betreibe unerlaubtes „Preisdumping“ oder wolle den entsprechenden 4.2 Markt „monopolisieren“. Häufig folgt der Gang zu Gericht. Regelmäßig ge- S. 2 schieht dies in Form von Unterlassungsklagen oder Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz, die auf die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wett- bewerb („UWG“) oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) gestützt werden. Dieser Beitrag soll erläutern, unter welchen Voraussetzungen solche Ansprüche vor deutschen Gerichten erfolgreich sein können und was potenzielle Kläger und Beklagte dabei beachten müssen. 2. Rahmen für die zivilrechtliche Überprüfung öffentlichen Handelns 2.1 Rechtswegfragen Gegen nichtwirtschaftliches, d.h. rein hoheitliches Handeln der öffentlichen Hand im Kulturbereich können grundsätzlich keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden. Dies ist stets dann der Fall, wenn die öffentliche Hand im Über-/Unterordnungsverhältnis tätig wird. Hier kann nur Rechtsschutz zu den Verwaltungsgerichten gesucht werden. Keine zivilrechtliche Ansprüche bestehen daher z.B. gegen die öffentliche Hand, wenn sie über die ordnungsrechtliche Genehmigung bestimmter private Kulturangebote oder über Zuwendungen im Rahmen der öffentlichen Kulturförderung entscheidet1. 57 Kultur & Recht April 2012
  • 3. F Gewerblicher Rechtsschutz F4 Wettbewerbsrecht Allerdings sind nicht alle Aktivitäten der öffentlichen Hand im Kulturbereich hoheitlicher Natur. Häufig werden öffentliche Kulturangebote aus rechtlicher Sicht als wirtschaftliches Handeln zu qualifizieren sein. Dies ist stets dann der Fall, wenn die öffentliche Hand selbst oder durch Tochtergesellschaften als Marktteilnehmer auftritt, d.h. Waren oder Dienstleistungen anbietet, die mit de- nen privater Anbieter tatsächlich oder potenziell im Wettbewerb stehen. Eine Gewinnerzielungs- oder Kostendeckungsabsicht ist dabei nicht erforderlich. Daher kann eine wirtschaftliche Betätigung auch vorliegen, wenn die entspre- chenden Angebote kostenlos sind. Solche kulturell-wirtschaftlichen Betätigungen der öffentlichen Hand können sowohl Gegenstand verwaltungs- als auch zivilgerichtlicher Kontrolle sein. Wel- cher Rechtsweg der richtige ist, hängt von der Zielrichtung des Vorgehens ab. Wendet sich der Kläger dagegen, dass die öffentliche Hand in bestimmten Berei- chen überhaupt aktiv wird, ist üblicherweise der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. In vielen Bundesländern gibt es z.B. spezielle landesrechtliche Vorschriften, die eine wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden untersagen, wenn die entspre- chende Aufgabe ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden könnten („Subsidiaräritsklauseln“)2. Die Entscheidung einer Kommune, einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen und in Konkurrenz zu Mitbe- werbern zu treten, und ihre Vereinbarkeit mit kommunalrechtlichen Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden unterliegen als solche also F grundsätzlich nicht der Nachprüfung durch die ordentlichen Gerichte3. Wendet 4.2 der Kläger aber ein, durch die Art und Weise wie die öffentliche Hand aktiv wird, S. 3 in seinen wirtschaftlichen Aktivitäten behindert zu werden, kann er dagegen die Zivilgerichte anrufen. Dies gilt z.B. bei Beschwerden gegen eine verdrängende Preisgestaltung, gegen die Wahl von Themen und Terminen, die Vorzugsbehand- lung beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen etc. ! Betreibt die öffentliche Hand Kultureinrichtungen im Wettbewerb zu priva- ten Angeboten, können private Wettbewerber zur Kontrolle der Rechtmä- ßigkeit dieser Aktivitäten grundsätzlich sowohl die Verwaltungsgerichte als auch die Zivilgerichte anrufen. Welcher Rechtsweg der geeignete ist, be- stimmt sich nach dem verfolgten Klageziel. Die Frage „ob“ der öffentli- chen Hand eine bestimmte Betätigung gestattet ist, gehört vor die Verwal- tungsgerichte. Wendet sich der Kläger gegen das „wie“ der Betätigung, z.B. gegen die Preisgestaltung, sind in der Regel die Zivilgerichte zuständig. 57 Kultur & Recht April 2012
  • 4. F Gewerblicher Rechtsschutz F4 Wettbewerbsrecht 2.2 Mögliche zivilrechtliche Ansprüche Im Zentrum einer möglichen zivilrechtlichen Auseinandersetzung werden typi- scherweise Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG bzw. § 33 UWG stehen, mit denen ein privater Kulturanbieter von der öffentlichen Hand die Unterlassung eines konkreten Verhaltens begehrt. Dabei ist in Anlehnung an das oben Gesagte zu beachten, dass die Ansprüche nicht auf eine Unterlassung der staatlichen Akti- vitäten insgesamt, sondern nur auf Unterlassung der wettbewerbswidrigen Aus- gestaltung gerichtet sein können. Der Kläger beantragt, dass es der Beklagten untersagt wird, bestimmte klassische Konzerte zu nicht kostendeckenden Preisen anzubieten. Auch ein Vorgehen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist dabei möglich. Voraussetzung ist allerdings die Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung, die es im Einzelfall nachzuweisen gilt. Unterlassungsansprüche können grundsätzlich auch durch rechtsfähige Verbände für ihre Mitglieder geltend gemacht werden. Allerdings ist dafür nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu verlangen, dass die Klage repräsentativ für die Interessen der betroffenen Mitglieder des Verbandes ist und nicht lediglich die Individualinte- F ressen eines oder weniger Verbandsmitglieder verfolgt4. 4.2 Theoretisch denkbar wären auch Schadensersatzansprüche nach § 9 UWG bzw. S. 4 § 33 GWB für den Fall, dass einem privaten Anbieter durch das wettbewerbswid- rige Handeln der öffentlichen Hand ein materieller Schaden entstanden ist. Ein privater Konzertveranstalter verlangt von der öffentlichen Hand den Gewinn heraus, der ihm aufgrund nicht kostendeckender Konzertveran- staltungen der öffentlichen Hand entgangenen ist. Für Schadensersatzansprüche sind Verbandskläger allerdings nicht prozessfüh- rungsbefugt und aktivlegitimiert. Dasselbe gilt für unselbständige Auskunftsan- sprüche zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen.5 3. Wettbewerbsrechtliche Prüfung Unterlassungsansprüche können in den eingangs beschriebenen Konstellationen insbesondere auf die wettbewerbsrechtlichen Behinderungs- und Verdrängungs- verbote in § 4 Nr. 10 UWG („gezielte Behinderung“) bzw. §§ 19, 20 Abs. 1 und Abs. 4 GWB („Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stel- lung“) gestützt werden. 57 Kultur & Recht April 2012