Häufig vergessene Prozessbausteine als Basis für neue Erfolge in der Supply Chain.

Häufig vergessene Prozessbausteine als Basis für neue Erfolge in der Supply Chain.

In den hochsynchronisierten Wertschöpfungsnetzwerken der Automobilindustrie existiert ein ungelöstes Paradox: Während die Materiallogistik auf die Sekunde genau gesteuert wird, operiert die Logistik der dafür nötigen Ladungsträger als ‚Schatten-Supply-Chain‘ – unsichtbar, ungesteuert und ineffizient.

Dieses Management wird bisher nicht als strategischer Enabler, sondern als nachgelagerter, administrativer Kostenblock total fehlinterpretiert – und oft als ein operatives Randthema mit fatalen strategischen Konsequenzen.

Die strategische Fehleinschätzung

Mit dieser strategischen Fehleinschätzung wird ein zunehmend toxisches System geschaffen, indem enorme Mengen an Kapital in einem intransparenten, ungesteuerten Pool von Leergut gebunden sind und das weder bilanziell noch operativ präzise erfasst wird.

Physische Behälterengpässe an einem Band führen so zu abrupten, extrem kostspieligen Produktionsstopps, während an anderer Stelle teure Sicherheitsbestände als physischer Puffer gegen die eigene digitale Intransparenz gehortet werden.

Der manuelle Aufwand für die Verfolgung, Buchung und Abstimmung über System- und Unternehmensgrenzen hinweg ist dann nicht nur immens und fehleranfällig; er erzeugt systemische Reibungsverluste, die sich in hohen Schwundraten, ungeplanten Neubeschaffungen und ineffizienten, halb leeren Transporten manifestieren.

Wenn die primäre Logistik der Teile auf die Sekunde genau „Just-in-Sequence“ getaktet ist, die sekundäre Logistik der dafür nötigen Behälter aber im Blindflug operiert, entsteht ein fundamentales systemisches Risiko, das die Stabilität und Effizienz des gesamten Produktionssystems permanent untergräbt. Diese Herausforderung eskaliert dann mit der globalen Komplexität. In einem Fertigungsverbund wie dem von Bosch, mit tausenden von Lieferanten, Werken und Kunden weltweit, potenziert sich die Komplexität des Leergutmanagements zu einem Big-Data-Problem, das mit traditionellen Methoden und manuellen Prozessen nicht mehr beherrschbar ist.

Der so zusätzlich erzeugte „Bullwhip-Effekt“ schlägt in der Behälterkette dann oft noch brutaler zu als in der Materialkette. Die Frage ist dann nicht mehr ob, sondern wie dieser gordische Knoten aus Intransparenz, Ineffizienz und gebundenem Kapital durchschlagen werden kann.

Viele Unternehmen verfallen dem Lockruf des KI-Hypes und initiieren teure Technologie-Pilotprojekte – oft getrieben von der IT, nicht vom Prozess –, die jedoch an der prozessualen Realität, fehlender Datenqualität und der Komplexität der Integration scheitern, bevor sie einen messbaren Wertbeitrag liefern. Bosch hat sich dieser Herausforderung mit einer radikal anderen Herangehensweise gestellt: einem unbedingten Fokus auf prozessuale Exzellenz, die durch pragmatische, gezielte und wertorientierte Technologieanwendung verstärkt wird.

Das strategische Ziel ist dabei, einen fundamentalen Paradigmenwechsel zu vollziehen: Die Transformation des Leergutmanagements von einem reaktiven Kostenfaktor zu einem proaktiven, wertschöpfenden Steuerungsinstrument – einem kognitiven Nervensystem, das die globale Supply Chain resilienter, effizienter und nachhaltiger macht.

Die Lösung – Ein kognitiver Regelkreis statt manueller Reaktion

Das Herzstück des Bosch-Ansatzes ist die Implementierung eines zentralen, kognitiven „Control Towers“ für das globale Behältermanagement. Dieses System agiert als zentrale Intelligenz, die den gesamten Lebenszyklus jedes einzelnen Ladungsträgers steuert.

Bosch – Axel Wieskus, Director Process Excellence Packaging and Empties Management, Stuttgart Empties Management – Vom KI-Hype zur sinnvollen Umsetzung


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An die Stelle von fragmentierten Insellösungen, fehleranfälligen Excel-Listen und manuellen Buchungen tritt ein integriertes, datengesteuertes und selbstlernendes Ökosystem, in dem Vollgut und Leergut zusammenwachsen. Hierbei geht es dann darum, den Hype um künstliche Intelligenz zu durchdringen und die Technologie dort einzusetzen, wo sie den größten Hebel entfaltet: bei der prädiktiven Planung, der autonomen Steuerung und der kontinuierlichen Optimierung komplexer, globaler Kreisläufe.

Die Bausteine – Vom Hype zur sinnvollen Umsetzung:

  1. Radikale Transparenz als Fundament Die unabdingbare Voraussetzung für jede intelligente Steuerung ist die lückenlose, granulare Transparenz in Echtzeit. Herr Wieskus wird erläutern, welche pragmatischen Technologiestrategien Bosch verfolgt, um den globalen physischen Behälterkreislauf in einen präzisen digitalen Zwilling zu überführen. Dies geht weit über einen simplen Scan am Werkstor hinaus. Es bedeutet, Millionen von Ladungsträgern weltweit kosteneffizient zu identifizieren und ihren Status (leer, voll, in Reparatur, unterwegs) in Echtzeit zu verfolgen. Welche Rolle spielen hierbei smarte Auto-ID-Technologien, von kostengünstigen QR-Codes für Massenbehälter bis hin zu IoT-Sensoren für strategisch wichtige, teure Ladungsträger? Ein Kernaspekt ist die Fusionierung heterogener Datenströme – aus den ERP-Systemen von Bosch und hunderten Partnern, von Logistikdienstleistern und aus den Sensoren – zu einem einzigen, verlässlichen Lagebild („Single Source of Truth“). Dies erfordert robuste APIs, standardisierte Datenmodelle und eine leistungsfähige Datenplattform, die als Basis für alle weiteren Analysen dient.
  2. Prädiktive Bedarfsplanung – Von der Reaktion zur Antizipation Der entscheidende Sprung über reines Tracking hinaus ist die Fähigkeit zur Antizipation. Ein Punkt auf einer Karte ist nur eine Information; zu wissen, wo der Punkt in drei Tagen sein muss, ist Intelligenz. Die wahre Wertschöpfung der KI liegt jedoch im nächsten Schritt: autonom zu entscheiden, wie dieser Zustand auf dem effizientesten und resilientesten Weg erreicht wird. Wie nutzt Bosch Machine-Learning-Algorithmen, um aus dynamischen Produktionsplänen (Demand Sensing), historischen Datenmustern, aktuellen Beständen und externen Einflussfaktoren (wie LKW-Fahrzeiten, Wetterdaten oder Hafenkongestionen) hochpräzise Bedarfsprognosen für jeden einzelnen Knoten im Netzwerk zu erstellen? Es wird spannend sein zu erfahren, wie das System nicht nur Bedarfe vorhersagt, sondern selbstständig optimale Rückführungsstrategien entwickelt. Es beantwortet Fragen wie: Sollte ein LKW warten, um voll beladen zu werden, oder ist eine schnellere, halb leere Fahrt nötig, um einen drohenden Engpass abzuwenden? Das System agiert wie eine Wettervorhersage für Behälter, die proaktiv vor drohenden Engpässen warnt, lange bevor sie zu einem realen Problem für die Produktion werden können.
  3. Autonome Prozesssteuerung und „Cognitive Management by Exception“ Transparenz und prädiktive Planung entfalten ihren vollen Wert erst, wenn sie direkt in autonome, sich selbst steuernde Prozesse münden („Sensing & Responding“). Wie werden Behälterkonten zwischen tausenden von Partnern durch Geofencing-Events oder automatisierte Scans automatisiert und revisionssicher abgeglichen, sodass manuelle Buchungen und Streitfälle der Vergangenheit angehören? Wie steuert das System autonom die Disposition von Leer- und Vollguttransporten, um nicht nur Kosten, sondern auch CO₂-Emissionen zu minimieren? Und wie ist das „Cognitive Management by Exception“ gestaltet? Hier geht es nicht mehr darum, auf simple Fehler zu reagieren. Das System löst 99% der operativen Fälle selbst. Menschliche Expertise wird nur noch für die strategischen Ausnahmefälle gefordert, die das System als solche identifiziert und zur Entscheidung vorlegt – beispielsweise bei einer großflächigen Störung, die eine strategische Neuallokation von Behältern über ganze Kontinente hinweg erfordert.
  4. Pragmatische Implementierung – Skalierbaren Wert schaffen statt Technologie-Showcases Der Weg vom Konzept zur global skalierten Lösung ist der kritischste Faktor für den Erfolg. Es wird interessant sein zu erfahren, wie Bosch es vermieden hat, sich in technologischen Hypes zu verlieren und stattdessen einen prozessgetriebenen, agilen Ansatz umzusetzen, der den Business Value in den Mittelpunkt stellt, nicht die Technologie.

Dies begann nicht mit einem Big Bang, sondern mit einem Minimum Viable Product (MVP) für einen klar definierten Kreislauf, um schnell einen validen Business Case nachzuweisen und aus dem realen Betrieb zu lernen. Ein entscheidender Faktor war das Change Management:

Wie wurden tausende Mitarbeiter und externe Partner, von kleinen Speditionen bis zu großen OEMs, für diese neue, radikal transparente Form der Kollaboration befähigt und überzeugt? Die Lösung wurde als offene Plattform konzipiert, an die sich Partner einfach anbinden können, um die Hürden für eine globale Skalierbarkeit im heterogenen Bosch-Netzwerk und darüber hinaus so gering wie möglich zu halten.

Vom Kostenfaktor zum strategischen Wettbewerbsvorteil

Der bei Bosch implementierte Ansatz ist so weit mehr als die Optimierung eines Logistikprozesses. Er ist ein Paradigma für die sinnvolle, wertorientierte Digitalisierung und schafft weitreichende, strategische Wettbewerbsvorteile. So werden folgende Effekte aufgezeigt:

  • Massive Kapitalfreisetzung - Durch die drastisch erhöhte Transparenz und die algorithmisch optimierte Umlaufgeschwindigkeit wird die Effizienz des eingesetzten Kapitals maximiert. Jeder Behälter leistet mehr. Die Reduktion der benötigten Ladungsträger und Sicherheitsbestände setzt Kapital in signifikanter zweistelliger Millionenhöhe frei, das für wertschöpfende Investitionen genutzt werden kann.
  • Strukturelle Reduktion der operativen Kosten - Die Automatisierung eliminiert ineffiziente, repetitive manuelle Prozesse und senkt die Prozesskosten für Buchung, Verwaltung und Klärfälle fundamental. Gleichzeitig werden die direkten Kosten für Schwund, Reparaturen und teure externe Notfall-Anmietungen drastisch reduziert, was die Profitabilität direkt verbessert.
  • Maximale Resilienz der Produktion - In einer Welt permanenter Disruptionen wird die Lieferketten-Resilienz zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Die proaktive, antizipative Steuerung wandelt eine der größten Schwachstellen der Produktion – die Behälterverfügbarkeit – in eine strategische Stärke um. Sie eliminiert nicht nur eine der teuersten Ursachen für Bandstillstände, sondern schafft eine neue Ebene operativer Resilienz, die in volatilen Märkten zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil wird. Die Lieferfähigkeit und damit die Zuverlässigkeit des Gesamtkonzerns gegenüber dem Kunden wird signifikant erhöht.
  • Quantifizierbarer Nachhaltigkeitsbeitrag - Die intelligente Optimierung der Transportlogistik führt zu einer signifikanten Reduktion von LKW-Fahrten und somit zu einer direkten und nachweisbaren Reduktion der CO₂-Emissionen, was direkt auf die ESG-Ziele des Unternehmens einzahlt. Eine längere, datengestützte Lebensdauer der Behälter durch vorausschauende Wartung und besseres Management schont zusätzlich wertvolle Ressourcen und unterstützt die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft.

Der von Axel Wieskus und seinem Team bei Bosch vorangetriebene Weg wird so zur Blaupause dafür, wie man ein chronisch unterschätztes Problemfeld durch den pragmatischen und intelligenten Einsatz von KI in einen echten, quantifizierbaren Wettbewerbsvorteil verwandeln kann.

Es wird interessant sein, wie im Vortrag und Erfahrungsbericht am 15. Oktober die Punkte aufgezeigt werden, wie man digitale Transformationen prozessorientiert statt technologieverliebt aufsetzt und steuert und so nachvollziehbare Business Cases realisiert werden. Ein Weg vom Hype zur global skalierten, wertschaffenden Lösung und ein Leitfaden für jeden, der die eigene Organisation zukunftssicher umgestalten will.

Es wird interessant sein zu erfahren, welche weiteren Maßnahmen hinsichtlich weiterer Workshops, dem Ausbau und der Bewertung der Feedbackkultur sowie die Förderung von Pilotteams installiert werden sollen, um gewonnene Good Practices im gesamten Unternehmen und über alle Organisationseinheiten zu teilen.

Vertieft wird der Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmern, Referenten, Moderatoren und ausgewählten Ausstellern/Innovationstreibern auch nach den Vorträgen und in der Netzwerkveranstaltung im Ratskeller der Stadt Saarbrücken.

Wir würden uns freuen, wenn Sie prüfen, ob ggf. auch andere Vertreter Ihres Unternehmens Interesse haben an einer Teilnahme an den oben skizzierten

  • Vorträgen des Automobilkongresses am 15./16. Oktober 2025,
  • der Netzwerkveranstaltung am Abend des 15. Oktober mit den Teilnehmern, Referenten, Moderatoren und Ausstellern.
  • an der Diskussion mit den hierfür ausgewählten Ausstellern am 15./16. Oktober
  • den geplanten drei „Best-Practice-Live-Besuchen“ alternativ bei (1) Bosch in Homburg, (2) bei Hager in Blieskastel oder (3) bei Nobilia in Saarlouis
  • oder parallel in den vier Workshops, alternativ A - Batterieproduktion und Logistik, B - Grüne Transformation meistern, C – Sauberraum Logistik oder D – Generative KI als Game Changer in der Industrie.

Viele Grüße Klaus J. Schmidt und der Lenkungsausschuss des AKJ Automotive Geschäftsstelle c/o Institut für Produktions- und Logistiksysteme Prof. Dr. Klaus-Jürgen Schmidt, Heinrich-Barth-Str. 32, 66115 Saarbrücken Telefon: +49 681-95431-0, Mobil +49-171-4540836 Web: www.akjnet.de, Mail: klaus-juergen.schmidt@iplnet.de

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