Test Bank for Modern Systems Analysis and Design 6th Edition by Hoffer
Test Bank for Modern Systems Analysis and Design 6th Edition by Hoffer
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4. Finite Element Method Basic Concepts and Applications with
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21. „Ich sehe alles, aber nicht mehr. Gott, Doktorsche, ich würde
mich noch krummer freuen, als ich schon bin, wenn Sie den Mann
kriegten. Sie sind das gescheiteste Mädchen in Birkholz.“
„Und das häßlichste.“
„Nein, den Ruhm nehme i c h in Anspruch. Es genügt auch, daß
Sie das klügste sind. Sie müssen nicht alles haben wollen. Überdies
hat er die Schönheit für Sie mit.“
„Finden Sie ihn schön?“
„Doktorsche, machen Sie um Gottes willen keine Mördergrube
aus Ihrem verlangenden Herzen. Na, wie ich über die Mannsleute im
allgemeinen denke, wissen Sie ja. Aber wenn Ihr Direktor vor vierzig
Jahren zu mir gekommen wäre mit ’ner Anfrage, ich hätte ‚ja‘
g e s c h r i e n. Damit er sich nur nicht verhörte.“
„Vor vierzig Jahren lebte er aber noch nicht.“
„Das weiß ich, Sie greuliches Geschöpf. Leider. Na, wann geht’s
also los? Beichten Sie mal.“
„Fräulein Tingleff, ich darf mir gestatten, Sie eine Kneifzange zu
nennen. Das ist ungehörig, ich weiß es. Aber auf das ‚greuliche
Mädchen‘ muß ich diesen groben Keil setzen.“
„So gefallen Sie mir. Nur immer von der Leber weg.“
„Schön. Aber nun auch Themawechsel, Fräulein Tingleff. Und ein
für allemal: Ich schätze Herrn Sörensen sehr... aber etwas anderes
wird nie geschehen, hören Sie? Nie.“
„Wenn Sie dies Gesicht aufsetzen, dann glaub ich Ihnen.
‚Hochschätzen‘, hm! Na, ich wäre jedenfalls mit Hochschätzung nicht
ausgekommen. Aber Ihr neuen Frauenzimmer seid ja anders. Bei
euch kommt zuerst der Beruf und die Liebe irgendwann oder auch
gar nicht.“
Dora Stavenhagen war blaß geworden. Und sie dachte still: „Ach,
was du da schwatzest. Ich will meine tiefe, große Liebe umwerten in
Segen für die Kinder an seiner Schule...“
22. „Wenn Sie so verträumt aussehen, Doktorsche, kann man Sie für
Vierundzwanzig halten. Wie alt sind Sie eigentlich?“
„Ich bin sechsunddreißig.“
„Also ein Kücken gegen meine Zweiundsiebzig. Sagen Sie mal,
was ist eigentlich im Lyzeum vorgefallen? Um das zu hören, habe ich
Ihnen eigentlich aufgelauert. Frau Dingelmann, die ja selbst
kinderlos ist, erzählte mir, sie habe von ihrem Dienstmädchen
gehört, und das habe es wieder vom Provisor der Ratsapotheke, eine
Menge Birkholzer wollten ihre Kinder aus dem Lyzeum nehmen,
weil...“
„Nun weil?“ drängte Fräulein Doktor gespannt.
„Weil Direktor Sörensen irgendeine Schauderhaftigkeit oder
Generaldummheit begangen habe.“
„O das ist schändlich!“
„So? Na, ich dachte mir’s schon, daß das Hühnergehirn des
Provisors wieder mal Blasen getrieben habe. Wie der Herre, so’s
Gescherre.“
„Die Dummheit ist von einer Lehrerin begangen worden...“
„Dann war’s die Nissen,“ frohlockte Fräulein Tingleff. „Ich habe
immer gewußt, daß unser Herrgott sie im Zorn erschaffen hat. Aber
daß er auch zuließ, daß sie Lehrerin wurde... Er muß doch ’ne Pieke
aufs Birkholzer Lyzeum haben.“
„Was Sie da zusammenreden, liebes Fräulein Tingleff,“ Fräulein
Doktor lächelte matt, „... ich glaube, ich muß Ihnen reinen Wein
einschenken.“
„Erfahren tu ich’s ja doch,“ brummte Fräulein Tingleff, „der
Provisor lauert auf mich.“
„Der Provisor ist ein Esel. Also, Fräulein Nissen hat endlich nach
einem ganzen Jahr glücklich herausgebracht, daß die Mädels in der
zweiten Klasse noch harmlose, unschuldige — ach, ich weiß ja —
kreuzbrave Geschöpfe sind. Die haben zu viel kindische Raupen im
23. Kopf, als daß da noch Platz wäre für irgend etwas Frühreifes. Sie
haben keine dummen Bücher gelesen, erst recht keine schlechten,
— sie hat überhaupt nichts gelesen, die Bande... Märchen haben sie
sich erzählt und selbst ausgedachte Geschichten... ach, meine liebe,
zweite Klasse...“
„Weiter, weiter...“
„Ja, sie steckten richtig drin in heiligen Muttermärchen, wie
Sörensen sagt...“
„So? Sagt Sörensen?“
„Und die Sörine Heidekamp, die ja immer Sprecher ist, hat ganz
rührend, aber voll Überzeugung ihre Storchweisheit ausgekramt und
hat schließlich auf die energisch ausgesprochenen Einwendungen
der Nissen hin mit Tränen in den Augen gerufen: ‚Aber das ist doch
der Unterschied zwischen Mensch und Tier. In Urzeiten hat Gott
große, weiße Vögel ausgeschickt, und die haben die Kindlein zur
Erde getragen. Später sandte er Engel... aber das haben die bösen
Menschen nicht verdient, da schickte er Störche, die mußten dann
noch Schmerzen zufügen ... Und die Tiere, ja die kommen aus sich
selbst. Das hab ich in Heidekamp schon manchmal gesehen...‘
Fräulein Tingleff, so hat es mir die Agnes Asmus erzählt. Das ist ein
über ihre Jahre ernstes Kind, — es wird alles richtig sein.“
„Und die Nissen? Die Nissen?“ stöhnte Fräulein Tingleff und
packte beide Hände ihres Gastes.
„Mit ihrem ganzen Rüstzeug hat sie dreingeschlagen. Mit Keulen
des Hohnes, mit den Schwerthieben ihres ausgesucht greulichen
Lachens, mit Lanzenstichen der Ironie ... Und dann ist sie zum
Schluß in der Pflanzenkunde recht deutlich geworden...“
„Himmelkreuzmohrenmordselement!“ fluchte das alte Fräulein
Tingleff. — „Man möchte zum Bürgermeister laufen und den alten
Pranger von seinem Oberboden holen. — Nun und wie verhält sich
der Direktor?“
24. „Sie fragen noch? Wie ein Ehrenmann, der für die Rechte der
Mütter eintritt. Er muß selbst eine sehr geliebte Mutter gehabt haben
oder noch haben, nur so kann ich mir die Zartheit erklären, mit der
er Frauen, ja selbst seine Schülerinnen behandelt.“
„Ich muß den Mann kennen lernen,“ sagte Fräulein Tingleff
energisch. „Er soll abends den Tee bei mir trinken und mit mir
Schach spielen.“
„Dr. Sörensen geht fast gar nicht aus...“
„Tatata, zu mir wird er kommen. Ich werde ihm meinen Besuch
machen, dann m u ß er...“ Das alte Fräulein sah triumphierend aus.
„Aber nun geh’ ich ins Bett, Doktorsche, Ihre Neuigkeiten sind mir in
den Magen gefahren und schreien nach Baldriantropfen. Gute Nacht.
Ziehen Sie oben sofort Ihre Pampuschen an und husten und niesen
Sie nicht. Dingelmanns Haus ist zu leicht gebaut.“
Lachend versprach Fräulein Doktor größte Vorsicht, und dann
trennten sich die beiden Hausgenossen.
Aber beide sahen, ehe sie sich zur Ruhe begaben, noch einmal
nach dem alten Patrizierhause hinüber. Es lag ganz dunkel und
Fräulein Tingleff stieg beruhigt in ihr riesiges Himmelbett. Aber Dora
Stavenhagen wußte, daß das Studierzimmer des Direktors nach dem
Garten herauslag, und daß wohl heute die grüne Schirmlampe noch
lange brennen würde. —
* *
*
Sörensen saß über dem Stoß von eingelaufenen Briefschaften. —
Die Birkholzer, die er durch sie kennen lernte, waren streitbare
Leute, kernfestes Holz. Und viel Gemüt und Humor wehte durch all
den grimmigen Zorn und zornigen Grimm, der in den Schreiben
niedergelegt war. Überall war das Herz mitverwundet neben dem
Recht. Als der Direktor alle Briefe durchgelesen, nahm er lächelnd
einen besonders großen Bogen noch einmal vor und las ihn zum
zweiten Male:
25. Geehrter Herr Direktor!
Dazu ist die M u t t e r da. Wollen Sie dieses mit einer
schönen Empfehlung an Ihr Fräulein Lehrerin Nissen
bestellen? Und wollen Sie ihr außerdem fragen, wo sie es
denn gar so genau herweiß? Geehrter Herr Direktor, wir
haben unsere Kinder Gott sei Dank so erzogen, daß sie mit
ihre Leiden und Freuden zu ihre Mutter kommen. Und unsere
Älteste, die Martha, die nun Gott sei Dank schon verheiratet
ist, hat schon mit zwölf Jahren allerhand gefragt, aber die
ging auch in die Volksschule, wo andere Kinder beieinander
sind als im Lyzeum. Aber damals hatte sich unsere Schlosserei
auch noch nicht so gehoben wie jetzt, wo wir zwei Gesellen
und vier Lehrlinge haben, und was dranwenden können an
Englisch und Französisch für unsere Jüngste in der zweiten
Klasse Ihrer geehrten Schule. Ich habe meine Martha also
über Verschiedenes reinen Wein eingeschenkt, weil sie mit
vierzehn Jahren dienen sollte und noch ein ganzes Kind war.
Aber über die ganz ernsten und verzwickten Sachen habe ich
erst mit ihr gesprochen, als sie sich mit unserm Altgesellen
verlobte, und die Sache brenzlich wurde. Ist aber ein braver
Mensch und glückliche Ehe, auch gutgehendes Geschäft
Steingasse 4, wenn Herr Direktor mal Bedarf haben an
Reparatur. Aber die Meta ist noch nicht verlobt, sondern ein
rechtes Kind nach Gottes Herzen und unsere ganze Freude.
Es hat niemand von uns gestört, daß sie noch pickfest an den
Storch glaubte. Und außerdem hat mein lieber Mann unsern
Kindern gesagt: „Was ihr auch von andern Leuten hören mögt
so über kleine Kinder oder auch über Eheleute und über
Liebessachen, denkt dran, daß alles vom lieben Herrgott
kommt und von ihm eingesetzt ist. Denkt dran, daß alles, was
aus rechter, wahrer Liebe kommt, h e i l i g ist. Denn die Liebe
ist größer als Glaube und Hoffnung hat Christus gesagt. Und
wer euch etwas Unheiliges erzählt, der ist ein schlechter
Mensch, da müßt ihr rasch fortlaufen.“ Geehrter Herr Direktor,
mein Mann kann die Worte viel besser setzen als ich und
26. würde auch heute dies geehrte Schreiben besorgt haben,
wenn nicht das alte Kunstschloß am Rathaus entzwei
gegangen wäre und er da selbst eigenhändig bei müßte. Ich
beschließe diesen Brief und sage nochmal, was Fräulein
Nissen da den Kindern vorgeschwatzt hat, das geht sie nichts
an, sondern nur meinen Mann und mich. Und sie soll erst mal
selbst Mutter werden. Nur wir Mütter haben das Recht,
unsern Kindern die Wahrheit zu erzählen. Und wo keine
Mutter ist, da ist wohl noch eine Großmutter. Eine
unverheiratete Lehrerin muß still zuwarten, bis sie dran
kommt. In der zweiten Klasse hat sie niemand drum gebeten.
„Und was deines Amtes nicht ist, da laß deinen Fürwitz.“
Achtungsvoll
Frau Schlossermeister Steinicke.
Als Direktor Sörensen am Sonntag nachmittag von seinem
Heidespaziergang zurückkehrte, wartete seiner eine große
Überraschung. Vor seiner Tür hielt der Heidekampsche Kraftwagen,
und in seinem Arbeitszimmer saß der alte Freiherr.
Als Sörensen hereintrat, stand der Besucher mühsam auf, um ihn
zu begrüßen, und stützte sich schwer auf seinen Stock. Aber bis auf
sein lahmes Ischiasbein war der Hüne ein Urbild von Rüstigkeit.
Zweiundachtzig Jahre! Und dabei lag sein schneeiges Haupthaar voll
und fast üppig über der hohen, klugen Stirn, und seine scharfen,
blauen Augen schienen durch Mauer und Holz zu sehen, wie die der
Enkelin. Ein langer, weißer, sorgfältig gepflegter Patriarchenbart
vervollständigte die Ehrwürdigkeit des Greisenantlitzes, dem
Adlernase und buschige Brauen große Kühnheit gaben. —
Diesen reckenhaften Mann in Verlegenheit und als Bittenden zu
sehen, hatte etwas Rührendes. Sörensen wollte ihm rasch darüber
hinweghelfen, aber er schien die Gewohnheit zu haben, seine
Suppen allein zu löffeln.
27. „Es geschieht mir schon recht,“ sagte er, „daß ich jetzt persönlich
als Ratheischender zu Ihnen kommen muß, Herr Direktor, da ich
doch Ihren Besuch eigentlich nur mit meiner Besuchsk a r t e
erwidern wollte. Will Ihnen gern gestehen, daß ich auch noch
gestern gar nicht dran dachte, herzugehen. Und Frauenzimmerrat
mocht ich mir auch nicht holen. Zuerst wollte ich Fräulein von
Schlieden, alias Grauchen, zu Ihnen schicken. Dann verwarf ich’s
wieder. Die alte Dame hat zu himmelblaue Ansichten, auch würde sie
glatt vor Scham gestorben sein, wenn Sie, der unbeweibte Mann,
mit ihr das Aufklärungsthema angeschnitten hätten. — Also mußte
ich selbst ’ran. Aber nun werden Sie mir böse werden, Herr Direktor,
Gott, ich kenne ja die Lehrerschaft und den Schulmonarchendünkel
und das Bestreben bei Ihnen, daß nur ja alles nach der Ochsentour
geht...“
„Herr von Heidekamp,“ fiel Sörensen ein, „ich kann doch
unmöglich annehmen, daß Sie mich hier in meinem eigenen Hause
beleidigen wollen...“
„Na, sehen Sie, Herr Direktor, da fängt’s ja schon an. Ich bin ein
schlechter Diplomat. Also ich wollte nur sagen, ich bin nicht zuerst
zu Ihnen gekommen, sondern war erst beim Lehrer Hansohm. Der
Mann steht meinem Empfinden nahe, ein prächtiger, junger Kerl.
Habe ihm heute eine Generalsekretärstelle bei mir angeboten, aber
er will lieber bei 2000 Mark inmitten seiner geliebten Schulkinder
verhungern, — na, das ist Geschmacksache. Aber er wollte mir auch
durchaus keinen Rat erteilen, sondern verwies mich sofort an Sie.“
„Das ist schade, Herr von Heidekamp. Lehrer Hansohm ist ein
heller Kopf, mit scharfem Verstand und einem warmen Herzen. Ich
würde selbst zuerst zu ihm gehen, wenn ich mir in Birkholz Rat holen
wollte.“
„Herr Sörensen, ich bin erstaunt. Sie zwingen mich zum
Umlernen, und ich bitte Sie um Entschuldigung, wenn ich da vorhin
etwas grob war. Ich muß aber sagen, es passiert mir zum erstenmal,
daß ein Schulleiter nicht ‚fünsch‘ wird, wenn man zuerst zu seinem
Untergebenen läuft und dann erst zu ihm.“
28. Sörensen lächelte. „Ich bin als Oberlehrer in guter Schule
gewesen. Da habe ich gelernt, mich in erster Linie als Mitglied des
Kollegiums, erst in zweiter als Direktor zu fühlen.“
Herr von Heidekamp staunte. „Merkwürdig, merkwürdig,“ sagte
er kopfschüttelnd und sah Sörensen ganz steuerlos an. Aber dann
wurde mit einemmal sein schönes, altes Gesicht freundlich und seine
Stimme klang frohmütig: „Einen Irrtum einzusehen, dazu ist man ja
nie zu alt. Geben Sie mir erst einmal Ihre Hand, Herr Direktor...“
Erne Sörensen drückte fest die dargebotene Rechte.
„Herr von Heidekamp, — ich fühl’s, es wird Ihnen schwer, zur
eigentlichen Sache zu kommen, vielleicht doppelt schwer, weil Sie
eben wohl erst entdecken, daß ich ein Freund Ihrer Sörine bin... Sie
würden herzhafter reden, wenn Sie zu einem vielgeschmähten
‚Schulmonarchen‘ sprächen... wenn Sie — — verwunden könnten ...“
„Sie sind ein Menschenkenner,“ knurrte der alte Freiherr und
brach dann plötzlich los: „Herrrr! was hat man in Ihrer Schule aus
meiner Sörine gemacht???“
Sörensen drückte ihn begütigend in den bequemen Ledersessel
zurück und schob einen weichen Schemel unter das kranke Bein.
„Hoffentlich etwas Gutes,“ beantwortete er sich niedersetzend die
Frage des alten Herrn. „Die Verfehlung der Klassenlehrerin hat mich
selbst schwer verletzt. Was gäbe ich darum, sie ungeschehen zu
machen. Aber die zweite Klasse wird sie selbst verwinden, es steckt
ein prächtiger Geist in ihr...“
„Mensch, Direktor, Herr Sörensen! Was sagen Sie da? Wie kommt
Saul unter die Propheten? Hat mir nicht Sörine immer geklagt, daß
ihre Klasse verfemt sei und mußte ich nicht zuletzt selbst dran
glauben?“
„Sörine sprach von Zeiten, die vergangen sind.“
„Ja, Herr Direktor, und nicht wahr, ein neues Morgenrot bricht
an? Aber — aber, davon wollt ich ja nicht sprechen. Ich — ich wollte
29. ja schimpfen, — ich wollte ja dieses — dieses — Fräulein Nissen, es
fehlt mir ein parlamentarischer Ausdruck...“
„Lassen Sie es gut sein, lieber Herr von Heidekamp, ich möchte
nichts dergleichen anhören... Aber fragen möcht’ ich, wie Ihre
Enkelin die Sache trägt, ich bin unablässig in Sorge um sie...“
„Ich habe Sörine noch nicht gesehen seit jenem Tage,“ sagte der
Freiherr. „Donnerwetter, das ist hart für mich alten Kerl, der von ihrer
frischen Jugend zehrt. Grauchen enthält sie mir vor...“
„Ist Sörine krank?“
„Ich weiß es nicht. Seelisch wahrscheinlich auf dem Hund. Guter
Gott, wenn mir doch nur mal dies Fräulein Nissen begegnete...“
„Lieber nicht, Herr Baron. Aber was tut denn Sörine zu Hause?“
„Zu Hause nicht viel. Sie reitet in die Wälder und liegt in der
Heide...“
„Und versäumt die Schule.“
„Ja, Herr Direktor, Sie verlangen doch nicht etwa, daß das Mädel
vor den Osterferien sich noch zu Füßen dieses, dieses, hm, Fräulein
Nissen niederlassen soll? Der sie in der ersten Klasse dann doch Gott
sei Dank entrinnt?“
„Ja, das verlange ich allerdings. — Herr von Heidekamp, Sie
hätten ja Ihre Sörine abmelden können, — das würde ich sehr
bedauern, aber ich könnte es verstehen. So lange sie aber Schülerin
des Lyzeums ist, so lange muß sie sich den Bestimmungen der
Schule fügen...“
„Herr Direktor, — Lehrer Hansohm hat mir von Ihrem zarten
Verstehen der Mädchenseele gesprochen...“
„Das hat wohl nichts mit meiner Forderung zu tun. Ich erwarte
morgen Ihre Enkelin. Eine Haupttugend von Sörine ist ja ihre
Unerschrockenheit und Tapferkeit... ich möchte mich nicht darin
getäuscht haben. Aber wir sind immer noch nicht zum Kernpunkte
30. Ihres Besuches gekommen, Herr von Heidekamp. Sie haben noch
etwas auf dem Herzen...“
„Ja. Ich bin ein alter Mann. Und das Grauchen ist auch alt, —
meine lüttge Sörine ist wohl deshalb weltfremd und doch recht
altklug geraten. Aber alles Jungvolk lehnte sie ja immer ab. Und lief
nach wie vor einspännig in der Welt herum. Ob das meine geliebte
Schwiegertochter Lore, die Mutter Sörines, vorgeahnt hat? In
meinem Sekretär liegt ein Heft, in einem versiegelten Umschlag
verwahrt, auf dem steht: ‚Meinem Kinde an seinem 17. Geburtstage
zu geben.‘ Herr Direktor, Sörines Mutter war etwas Besonderes.
Jedem Menschen geht etwas ab, dessen Lebensweg sie nicht
gekreuzt hat. Ein Kind Gottes war sie. In ihren letzten Lebenstagen
hat sie mitten aus Fieberträumen heraus mich an das kleine Heft
gemahnt. Sie konnte nicht zur Ruhe kommen: ‚Arme Sörine, keine
Mutter, keine Mutter — — —‘ Das war ihr Stammeln, ihre Sorge, die
sie nicht einschlafen ließ...“
„Geben Sie Klein-Sörine dies Muttervermächtnis j e t z t schon,“
sagte Sörensen eindringlich und faßte beide Hände des Greises.
„Herr Sörensen, für dies Wort sollen Sie Dank haben. Es kam so
unmittelbar aus Ihrem Empfinden heraus, ehe ich um Ihren Rat bat.
Es wird das Rechte sein. —“
„Ja,“ sagte Sörensen tief aufatmend. „Grobe Hände haben den
Schleier von Sörines Kindereinfalt gerissen, — sanfte Mutterhände
werden die Wunden verbinden. Herr Baron, ich freue mich, morgen
wieder eine tapfere Schülerin zu sehen.“
Der alte Herr erhob sich. Erne Sörensen half ihm liebevoll dabei.
Die klaren Augen des Greises sahen unverwandt in die des Goliath,
der ihn noch um Etliches überragte.
„Sie scheinen noch nicht ganz fertig mit mir zu sein?“ lächelte
Sörensen.
„Noch längst nicht,“ meinte zögernd der alte Herr, und setzte
humorvoll hinzu: „Ich hoffe, wir werden niemals miteinander fertig.
Heute aber wollt ich fragen: Wollen Sie mich nicht begleiten? Ein
31. langer, schöner Sommerabend liegt vor uns... nicht wahr, Sie
antworten mir nicht, daß ja Lehrer nicht über meine Schwelle
kommen sollen, erinnern mich nicht an den törichten Ausspruch...“
„Nein, nein, sicher nicht. Ich komme mit,“ rief Sörensen in
raschem Entschluß. „Die Hauptsache ist ja doch, daß ich über die
Schwelle Ihres Vorurteils gekommen bin.“
Er gab dem Freiherrn den Arm, dieser stützte sich schwer darauf.
In der Küchentür stand knixend Frau Dietz.
Der Freiherr streckte ihr die Hand hin. „Ich habe da vorhin eine
Bekanntschaft erneuert. Marianne Witt war ja viele Jahre in meinem
Hause, bis der Dietz sie uns fortschnappte.“
„Zu meinem Schaden,“ sagte Frau Dietz trocken. „Aber man soll
von den Toten nichts Übles reden.“
Sie stand dann noch am Fenster und sah, wie die beiden Herren
davonfuhren. „Es war eine schöne Zeit,“ sagte sie zu sich und
wischte sich die Augen. „Aber die bessere kommt jetzt. Ich möchte
niemand mehr für meinen Herrn Direktor eintauschen.“ —
* *
*
S o n n t a g a b e n d.
Ein reicher Tag heute. Die köstliche Frühpredigt des Diakonus
Heinrich, das Plauderstündchen mit Philemon und Baucis. Der
Spaziergang in die Heide, der geliebten Kraftspenderin. Und dann —
dies Heidekamp. Hab’ Dank, guter Herrgott, daß du diese
Trostquelle, diesen köstlichen Brunnen für mich bereit gehalten hast.
Es war ein Abend, wie ich noch keinen in Birkholz erlebte. —
Von meinen Ahnen habe ich dort erzählen dürfen, die streitbare
Großmutter Gesine wurde gleich zur Freundin des Alten. Und von
meinem Vater habe ich erzählt, von der Schusterkugel, die über dem
Haupte des Spintisierers leuchtete, von meiner guten Mutter, der
32. Waschfrau. In welche neue Welt da meine Schülerin Sörine
hineinstaunte!
Ach, ihr großen, lieben Kinderaugen! Die seit einigen Tagen noch
ernster geworden sind... Immer wieder packt mich der Zorn, wenn
ich daran denke. daß man diese süße Reinheit so plump hat
verstören wollen. — Kleine liebe Sörine! Du tust mir eine neue Welt
auf.
Wunderlich ist die Erziehung des Großvaters gewesen. Aber das
Ergebnis ist prächtig. Grauchen und ich sind gute Freunde
geworden. „Wir haben beide die Sörine lieb,“ sagte sie zur Erklärung.
Alle brachten mich dann zum Wagen, der mich spät am Abend über
die weite Heide fuhr. „Ich komme morgen,“ rief mir Sörine leise zu,
„ich will tapfer sein...“
Kleine Sörine, ich zweifle nicht daran. Und ich will versuchen, dir
eine große Freude zu bereiten. Die lieben Menschen da draußen
haben mich mit einer Mission betraut, ich will sie ausführen. Die
Agnes Asmus soll ich nach Heidekamp holen. In jenem Hause voll
Liebe, Güte und Kraft wird das scheue, gequälte Mädchen genesen...
welch herrliche Aufgabe, alter Erne Sörensen. Alt? — Wie wir heute
da draußen Pläne schmiedeten, spitzbübisch und spitzfindig und
dabei lachten und uns an Einfällen gegenseitig überboten, Erne
Sörensen, da warst du jung... Welch wunderliches Frohgefühl, zu
wissen, daß ein reiner, gleichgestimmter Akkord zwischen mir und
dem Jungvolk schwingt. —
D i e n s t a g a b e n d.
Es ist mir nicht gelungen. Mit leeren Händen stehe ich vor dem
alten Heidekamper und mit ödem Kopfschütteln vor den fragenden
Augen der jungen Sörine. Sie glaubte felsenfest, daß ich die Eltern
Asmus bereden m ü ß t e. Aber es war ordentlich wie ein Triumph in
jenen beiden, daß ich wohl als Direktor dem L e h r e r Asmus etwas
zu befehlen hätte, aber niemals dem Vater. Ich habe zur herzlichen
Bitte gegriffen, habe ihnen das schöne, reiche Heidekamp gezeigt,
die sonnige Freundschaft zwischen Sörine und Agnes. Und wenn sie
33. noch irgendwelche Befürchtungen ausgesprochen hätten, die ich
zerstreuen konnte, — nichts, nichts dergleichen. „Wir wünschen es
nicht,“ sagte Frau Asmus, und der Kollege nickte wie ein Pagode. Als
ich auf die Sonne in Heidekamp hinwies und auf den Schatten der
Galgenstraße, da las ich etwas wie Mitleid in des Vaters Zügen, und
an dies schattenhafte Mitleid versuchte ich immer wieder
heranzukommen. Aber es half mir nichts. Der Einfluß des greulichen
Weibes war stärker. „Ich gehe ja täglich mit Agnes in die Heide,“
sagte sie verbissen, „und wenn sie davon nicht wohler wird, müssen
wir sie eben aus der Schule nehmen...“ Nur das nicht. Das muß ich
zu allererst verhindern. Wenn ich je dem Vater Asmus näherkommen
sollte, will ich versuchen, ohne daß er’s merkt, ihn zu bestimmen,
daß Agnes das Lehrerinnenexamen macht. Ich kann ihr durch die
Schule viel Freuden geben, aber die Stiefmutter darf nicht merken,
daß ich dahinterstecke.
Wie häßlich ist das alles. Wenn die Verhandlungen wenigstens
nur zwischen den Eltern und mir stattgefunden hätten! So aber war
das arme Mädel dabei, und ich selbst war verurteilt, in ihrem Gesicht
die Erwartung, die Freude, die Enttäuschung und den Jammer zu
erleben.
Nun habe ich an den Heidekamper geschrieben. Denn der Sörine
in das erwartungsvolle Gesichtchen hineinzusagen, daß die Freundin
nicht Hausgenossin werden darf, sondern in der Galgenstraße weiter
nach Sonne und Liebe hungern soll, — Sörensen, dazu fehlte dir der
Mut. —
* *
*
O s t e r s o n n t a g a b e n d .
Heute habe ich einen rechten Osterspaziergang gemacht.
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche...“, es war köstlich.
Und wie manche Tage grau in grau fließen, so war dieser
klarblaue Himmelstag auch innerlich voll sonniger Schöne. Im
34. Heideforsthaus hatte ich mir mein Mittagsmahl bestellt, denn Frau
Dietz ist beurlaubt. Und kaum dort angekommen, sah ich von der
Fahrstraße her eine vorsündflutliche Kalesche, eine wahre Kajüte,
heranrollen, der mit steifer Grandezza das Original von Birkholz,
Fräulein Tingleff, entstieg. Da die mir bis dahin unbekannte Dame
lahm ist, sprang ich zu und half ihr. Da sagte sie mir mit sehr
komisch wirkendem Ernst, daß ich ihr kein Fremder sei, da sie jede
Nacht von mir träume. In der weitbauchigen Kutsche hatte sie noch
Fräulein Doktor, Lore Hansohm und — Agnes Asmus verstaut.
Frauen sind doch geborene Verschwörer, und in Klaus Hansohm
hatten sie den dazu passenden Jesuiten gefunden. Da meine Mission
so kläglich gescheitert war, wollten die Verbündeten wenigstens den
kleinen Freundinnen ein schönes, gemeinsames Osterfest
verschaffen. Hansohm stand im Garten und redete eifrig auf die Frau
Försterin ein. Dann sah ich ihn ebenso eifrig am Fernsprecher und,
— so konnten schon „das Grauchen“ und Sörine am Mittagsmahl
teilnehmen. — Und die Frau Försterin kochte eine Stiege frische Eier,
und du, alter Erne Sörensen, saßest eifrig mit Klaus Hansohm beim
Färben, während die Frauen der Försterin halfen und den Kaffee
kochten, den Tisch deckten und ihn mit Tannengrün und
Wacholderreis schmückten. Und du warfst kühne Zeichnungen auf
die Ostereier und schriebst Namen darauf, und Kollege Hansohm
malte winzige Noten zu kleinen Liedanfängen...
Leise kam wieder die Jugend zu dir und kränzte dich, lockte und
fragte...
Und du gabst dich ihrem Zauber hin an diesem lichten
Frühlingstag, da der liebe Gott durch den Wald ging... Wie die frohen
Kinder habt ihr dann mitsammen Ostereier gesucht. Ach, war das
schön, Erne Sörensen!
Bis der fröhliche Abschied kam und die stille Besinnlichkeit. Nicht
ein Wort habt ihr beide, Klaus Hansohm und sein Direktor, auf dem
langen Heimweg gesprochen.
Ihr dachtet an zwei frohe, junge Menschenkinder. Das eine hielt
in den schlanken Mädchenhänden die Zügel des feurigen Pferdchens
35. und fuhr sicher das ihm anvertraute Grauchen vor das Herrenhaus
zu Heidekamp.
Das andere hatte seinen müden Kopf an die Schulter des alten
Fräulein Tingleff gelehnt und schlummerte wohl in der
Urväterkalesche. Aber es durchträumte und durchlebte sicher noch
einmal den strahlenden, liebewarmen Ostertag. Den ersten in
seinem sonnelosen Kinderleben.
* *
*
Das Lehrerkollegium hatte sich zu einem längeren Spaziergang
nach den „sieben Steingräbern“ verabredet. Es war in diesen
Osterferien niemand verreist, und so fand die Anregung lebhaften
Anklang. Das in der Nähe der Steingräber gelegene Wirtshaus „Zum
Birkenpilz“ wollte für gute Verpflegung sorgen, und Klaus Hansohm,
den man als Jüngsten zum Vergnügungsdirektor ernannt hatte,
machte treulich jeden Tag den stundenweiten Weg, um seinem Amt
gerecht zu werden. Seine Schwester Lore freilich, die ließ er heute
bei einer Handarbeit und einem guten Buch zu Hause zurück, auch
mußte er „seinen Sörensen“ entbehren, der sich der Allgemeinheit
widmete. Man sah dessen hohe Gestalt neben der kleinen,
vergrämten Frau Oberlehrer Kahl wandern und hörte sein sonores
Lachen.
Klaus Hansohm hatte sich seinen Platz neben Fräulein Doktor
gesichert. Professor Traute ulkte ihn daraufhin ziemlich plump an,
aber er parierte schlagfertig: „Herr Professor, ich zeige ja damit nur,
wie sehr ich hoffe, daß das Akademische auf mich abfärbt. Und bei
einer Dame geschieht es natürlich sanfter, als wenn ich den Weg in
I h r e r schätzenswerten Gesellschaft zurücklegte.“
„Dor rük an,“ lachte Fräulein Doktor. Und als Traute sich ärgerlich
entfernt hatte, meinte sie: „Sehen Sie mal, Kollege, wie die Parteien
so hübsch gesondert marschieren. Mir tut der Direktor schändlich
leid. Was gibt er sich für Mühe, die krausen Köpfe unter einen Hut zu
bringen.“
36. „Die krausen sind noch die besten,“ brummte Hansohm und
zeigte auf seinen eigenen vollen Scheitel, „aber die kahlen, — Gott
soll mich bewahren. Und sehen Sie, wie unser Sörensen sich der
schüchternen Frau Kahl annimmt. Die wird den heutigen Tag mit
Rotstift buchen, und ihr Mann wird morgen doppelt greulich zu ihr
sein.“
„Guter Gott,“ rief Fräulein Doktor, „können Sie sich den Kahl
überhaupt vorstellen, daß er mal verliebt war? Mal geworben hat?
Mal den Ritter spielen mußte? ‚Kahl‘! Ich finde, schon der Name
paßt, wie angegossen. — Kahl von allen Idealen, bar jeglichen
Reizes...“
Hansohm stieß einen Pfiff aus. „Der Kahl soll früher den
Schwerenöter gespielt haben...“
„Sie fabeln, Hansohm. Der Mann ist nur aus Neid, Gift und Galle
zusammengesetzt. An der Stelle des Herzens sitzt die
Anciennitätsliste.“
„Und doch hätte Molière seinen Tartüff nach ihm formen
können...“
„Kollege, wenn Sie so orakeln, gefallen Sie mir gar nicht. Auch
machen Sie an diesem Frühlingstag ein Gesicht, als hätte Ihnen die
gute Lore nicht genug Mittagessen gegeben.“
„Daran fehlt’s nicht,“ sagte Hansohm. „Aber ich denke an die
Agnes Asmus. Die sitzt in der Dunkelheit ihrer erbärmlichen Straße.
Zu Lore zu kommen, hat man ihr verweigert, seit die Eltern erfuhren,
daß wir neulich ein wenig Vorsehung gespielt haben.“
„Hansohm, können einem da nicht Krallen wachsen?“
„Ja wahrlich. Ich komme mir oft schon wie der Hoffmannsche
Struwwelpeter vor. Und besonders, wenn ich sehe, wie der
kinderlose Kahl den Kollegen Asmus in seiner hirnverbrannten
Pädagogik unterstützt.“
„Kahl und Pädagogik!“ rief Fräulein Doktor wegwerfend. „Wissen
Sie, wie er überhaupt dazu gekommen ist, Lehrer zu werden?“
37. „Nein, das ist wohl jedem schleierhaft. Ich denke mir, das
Birkholzer Lyzeum just unter dem Direktor Clausen war die einzige
Stätte im Deutschen Reich, wo er seine U n k e n n t n i s s e verwerten
konnte.“
„Hansohm, Sie sind das reinste Reibeisen. Und wir andern, die
wir auch schon unter Clausen segensreich wirkten?“
„Wir hatten alle unsere Gründe. Muß ich jeden einzeln nennen?“
„Nein, ich weiß Bescheid,“ nickte Fräulein Doktor ernst. „Was ist
übrigens Frau Professor Traute für ’ne Frau? Es ist ganz interessant,
sie mal alle hier im Grünen beisammen zu haben. Daß Frau Kahl
eingeschüchtert, gedrückt und jasagend ist, weiß ich noch von
früher und wundere mich nur, daß sie sich bei dem Manne nicht
längst aufgehängt hat. Es gehört ein Grad von persönlichem Mut
dazu, die Frau dieses Menschen zu sein, den ich jedenfalls nicht
aufbringen könnte.“
„Vielleicht hat sie ein Gelübde getan,“ meinte Hansohm lachend.
„Übrigens fragten Sie mich nach Frau Traute. Sie ist heute
undurchdringlich. Ich habe sie nur schweigen hören. Im übrigen
gehört sie zu den Menschen, die sich nie freuen können, weder mit
sich selbst, noch mit andern. Mein Gewährsmann ist Fräulein
Tingleff. Die sagt, Frau Traute nährte sich von Unglücksfällen. Jedes
glückliche Haus sei ihr verhaßt, eine strahlende Braut, ein seliger
Bräutigam bedeute einen Pfahl in ihrem Fleisch. An dem Tage, da
das Bankgeschäft von Manheimer fallierte, habe ihr Frau Traute den
ersten Besuch gemacht, um ihr die Schreckensbotschaft zu bringen
in der Annahme, daß Fräulein Tingleff ihr Geld dort habe. Da sich
dies als ein Irrtum erwies, habe sie sich verärgert zurückgezogen.“
„Hansohm, geht auch nicht Ihre Phantasie mit Ihnen durch?“
„Ich bin nur Berichterstatter,“ verteidigte er sich. „Bis jetzt ist sie
nur stumm und mürrisch dahingeschritten, aber sehen Sie, jetzt
stürzt sie sich auf die Nissen. Die hat sich eben ein riesiges Triangel
in ihr Neustes eingerissen, — das ist so was für Frau Professor
Traute.“
38. „O, was hat doch der liebe Gott für Kostgänger!“ seufzte Fräulein
Doktor. „Aber wir sind auch nicht die besten Brüder. Wir hecheln hier
das Kollegium durch, anstatt uns am Direktor ein Beispiel zu
nehmen. Sehen Sie nur, er gesellt sich zur Nissen und Frau Traute.“
„Waghalsiger! Nein, ich gehe haushälterischer mit meinen Kräften
um, der Tag ist noch lang. Aber sehen Sie, der Gast wendet sich
bereits mit Grausen. Selbst der Goliath Sörensen ist dieser
Doppelfirma nicht gewachsen. Ahhh, er steuert auf uns zu. Was
geben Sie mir, Fräulein Doktor, wenn ich Sie eine halbe Stunde mit
ihm allein lasse?“
„Einen Klaps!“ rief noch Dora Stavenhagen erschrocken, aber es
war zu spät. Lehrer Hansohm hatte sich schon zu Frau Professor
Rasmussen gesellt, einer feinen, älteren Frau, die ihm sofort von
„ihrem Hans“ erzählte, der mit Hansohm einst zusammen das
Gymnasium besuchte, bis das Seminar trennend zwischen die
Schulfreunde getreten war.
Direktor Sörensen begrüßte Fräulein Doktor fröhlich und schritt
plaudernd neben ihr. „Ich brauche Sie wohl nicht zu fragen, wie
Ihnen unser kindlicher Ostersonntag bekommen ist,“ sagte er. „Es
war für mich wie im Märchen. Eine gütige Fee hatte uns alle in
Kinder verwandelt, wenn sie auch anstatt im silbergestickten
Elfengewand im braunen Seidenkleide des alten Fräulein Tingleff
erschien.“
„Ist sie nicht ein Prachtmensch?“ fragte Fräulein Doktor zerstreut
und hörte kaum auf die Antwort. Denn sie hatte mit Befremden
bemerkt, wie geflissentlich man die Schritte verschnellert hatte, um
sie und Sörensen zu isolieren. Hansohm pflückte weitab für Frau
Professor Rasmussen einen Wacholderstrauß. Dann aber schalt sie
sich einfältig, über törichte Möglichkeiten zu grübeln, anstatt das
Beisammensein mit dem wertvollen Menschen auszukosten. Sie
schüttelte ihre Befangenheit ab.
„Herr Direktor, haben Sie schon einmal Gelegenheit gehabt,
unsere zweite Klasse während der Ferien zu sehen? In ihrem ganzen
39. Stolz, vollzählig in die erste Klasse versetzt zu sein? Mir begegnete
Telse Lüders, bei der hatten wir uns ja alle den Kopf zerbrochen, ob
es möglich sei, sie nur ihrer schönen Augen wegen zu versetzen. Bis
das Kollegium seine sämtlichen schönen Augen zudrückte und sie
mit rüber nahm. Dafür hat sie den gesamten Lehrern eine Ballade
gewidmet, die ist nicht von Pappe. Und sie grüßte mich heute auf
der Straße mit dem Kopfneigen einer jungen Prinzessin, — nur so
eben gerade, — weil ich sie jetzt ‚Sie‘ nennen muß.“
„Ja, die Backfische sind ein Studium für sich,“ meinte Sörensen.
„Was sagen Sie im Gegensatz zu Ihrer Geschichte dazu, daß die
Klasse mir eine feierliche Bittschrift eingereicht hat, sie ferner ‚Du‘ zu
nennen, ‚bis es nicht mehr ginge‘, wie der kühne Schlußsatz lautet.“
Fräulein Doktor strahlte. „Es ist eine absunderliche Gesellschaft.
Nach Schema F ist da keine geraten. Haben sie denn alle
unterschrieben?“
„Mit einer einzigen Ausnahme, ja.“
Fräulein Doktor sah ihn scharf an. „Auf die wäre ich gespannt.“
„Sörine von Heidekamp,“ lachte er glücklich. „Und das bestätigt
schlagend unsere Ansicht über die ganze Klasse. Über den Geist, der
jede einzelne Schülerin beseelt. Ich war natürlich begierig, den
Grund zu erfahren, weshalb sich das liebe Mädel isoliert, denn ich
weiß ja, daß sie der Nervus rerum der Klasse ist, ein rechtes
Mütterchen...“
„Früher sagten Sie: ‚unbotmäßiger Rädelsführer‘...“ warf Fräulein
Doktor ein.
„Danke für den Hieb. Sie haben recht. Aber ich halte es mit dem
Sprichwort, wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, der soll sich
aufhängen.“
„Also auf ein langes, fröhliches Leben,“ lachte Fräulein Doktor
und streckte ihm die Hand hin, in die er schallend einschlug.
„Und wissen Sie den Grund von Sörinens fehlender Unterschrift?“
forschte sie dann. —
40. „Freilich weiß ich ihn. Ich schaute gestern ein Stündchen in
Heidekamp ein. Sie sehen erstaunt aus. Ja, ich gestehe es gern, mir
gibt das Herrenhaus Werte. Vielleicht habe ich schon rein äußerlich
immer nach der feinen Form gehungert, in der man dort das
Materielle wie das Ethische serviert, ich der Emporkömmling. Und
wie man dort doch nicht am Äußeren hängt, sondern den Menschen
wertet, — Fräulein Doktor, ich sitze wie ein Schuljunge zu Grauchens
Füßen, während sie mir weismacht, daß sie alle bei mir in die Lehre
gehen. Und der alte Freiherr! Derb kann er drein wettern, und
Luthers Tischreden trägt er in der Tasche und zitiert sie, wo es
irgend möglich ist. Die sind ja nicht gerade für Mädchenpensionate
geeignet. Aber nie hörte ich eine obszöne Geschichte von ihm, in
denen Kahl so groß ist... Herr von Heidekamp ist recht ein Ritter des
ancien regime...“
„Wie dankbar Sie sind!“ rief Fräulein Doktor warm. „Das muß ich
Fräulein Tingleff erzählen. Die sucht seit Jahren dankbare Herzen
und kann sie nicht finden, — nicht in all ihrer großzügigen,
selbstlosen Wohltätigkeit. — Und wie klärte sich Sörines fehlende
Unterschrift auf?“
Sörensen lachte über ihre Beharrlichkeit, mit der sie immer
wieder auf diese Frage zurückkam.
„Herzlich einfach. Ich fragte das junge Mädchen und es
antwortete freimütig. ‚Ach, ich habe mich ja jahrelang auf das Sie so
gefreut. Die Zeit konnt ich kaum erwarten. Nun sollt ich plötzlich
meinen Herzenswunsch drangeben. Das wollt ich nicht.‘ Es klang
überzeugend ehrlich. Und ich habe mich an jenem Abend im
‚Siesagen‘ geübt, und wenn ich mich versprach, mahnte sie mich
ernsthaft.“
Wie der Mann jung geworden ist in den wenigen Monaten,
dachte Fräulein Doktor. Es muß in erster Linie die Freundschaft mit
dem frischen Hansohm sein. Der hat mich ja auch auf dem
Gewissen. Ich war auf dem besten Wege, eine verschrobene, alte
Jungfer zu werden... Oder sollte wirklich die sonnige Sörine einen
41. starken Einfluß auf den so viel älteren Mann ausüben?... Dora
Stavenhagen geriet ins Grübeln...
Das rote Dach des Gasthauses tauchte auf. Von weitem
leuchteten schon die weißgedeckten Tische unter den grünen
Tannen. Das starke Aroma eines guten Kaffees und die Streusel- und
Obstkuchenberge wirkten liebenswürdig auf jedes Gemüt. Man hieß
einander lachend willkommen.
Nur Kahl raunte Fräulein Doktor zu: „Wann kann man
gratulieren?“ und empfing einen abweisenden Blick. Und Frau
Professor Traute fragte den Direktor: „Wissen Sie, daß in Ihrer
Dienstwohnung der Schwamm ist? Ihre Vorgänger sind alle am
Gelenkrheuma eingegangen.“
„Welch grausame Perspektive, gnädige Frau. Ich weiß davon aber
nichts, fand lauter neue Parkettfußböden und tadellose
Zentralheizung vor. Nein, nein, so bald werden Sie mich nicht los.“
Vor seinem frohen Lachen zog sich Frau Traute zurück.
Es wurde eine sehr gemütliche Kaffeestunde. Da sich Sörensen
an das unterste Ende setzte, konnte die Würde nicht so streng
gewahrt und durchgeführt werden, und als Hansohm seine Tasse
vorzeigte, auf welcher „dem lieben Großpapa“ stand, wachte eine
gesunde Fröhlichkeit auf. Fräulein Doktor saß zwischen Professor
Rasmussen und Hansohm. Das gab einen reinen Dreiklang.
Rasmussen war in seinen jüngeren Jahren viel krank gewesen und
von seiner Gattin in aufopferungsvoller Weise gepflegt worden.
Seitdem war er ihr in einer huldigenden Dankbarkeit zugetan, die
fast an die alte Ritterzeit gemahnte. Viele lachten im Kollegium und
auch im Städtchen über den alternden Liebhaber, der seine
gleichaltrige Frau, mit der er längst die silberne Hochzeit gefeiert,
umwarb und betreute wie kaum ein Bräutigam die eben Erkorene.
Für Fräulein Doktor hatte der Anblick etwas Rührendes. Sie dachte
an die Ehe ihrer Eltern, an den immer kränkelnden Vater, der die
persönlichen Opfer seiner Frau nur als ihm gebührenden Tribut
hingenommen hatte. Nun war sie im anregenden Gespräch mit dem
älteren Kollegen, dessen ganzes Wesen abgeklärte Ruhe und volle
42. Behaglichkeit atmete. Sah er doch, wie Direktor Sörensen in seine
Fußtapfen trat und seine, Rasmussens Frau umhegte und umsorgte,
ihr Kaffee einschenkte und die leckersten Stücke auf den Teller legte.
„Mir ist zu Sinn, als sei unser Lyzeum aus Dornröschenschlaf
erwacht,“ sagte er herzlich zu seiner Nachbarin. „Prinz Sörensen kam
zu rechter Zeit.“
„Meinen Sie wirklich, daß alle wach sind?“ fragte Fräulein Doktor
zweifelnd.
Rasmussen beugte sich humorvoll lächelnd näher und flüsterte:
„Vielleicht wartet der Küchenjunge Kahl noch auf seine Ohrfeige.“
Sie nickte lebhaft. „Die müßte ihm aber schon der Koch Herrgott
geben, an menschlichen Händen glitscht dieser Aal ab,“ gab sie zur
Antwort.
Die allgemeine Unterhaltung war sehr lebendig geworden.
Nur Frau Kahl versuchte vergeblich, ihrem Partner Traute
irgendein Gesprächsthema abzulocken, er aß und trank und schaute
starr auf einen Fleck.
„Sehn Sie nur den Traute,“ raunte Hansohm. „Ich kenne diesen
Blick. Er bereitet sich auf eine Rede vor, die er dann uns meuchlings
versetzt. Sehen Sie, wie er maikäfert! Gleich wird er losburren.
Burrrr! Surrrr! Hab ich’s nicht geahnt? Ich bin unhöflich genug zu
sagen: J e t z t l ä ß t e r s e i n N a c h t l i c h t l e u c h t e n !“
„Meine Damen und Herren! Hochverehrter Herr Direktor. Werte
Kollegen! Teure Freunde! Liebe Frau!“
„Warum er nicht noch sämtliches Getier in Wald und Flur mit
heranzieht!“ flüsterte der unverbesserliche Hansohm, so daß ihm
Sörensen mit dem Finger drohte.
Eine endlose Rede ging über die Zuhörer nieder. Voll Salbung und
innerer Unwahrheit. Dora Stavenhagen stellte bei sich fest, daß der
Direktor mit einem Male alt aussehe. Als sei es Jahre her, daß sie ein
„kindliches Osterfest“ mit ihm gefeiert. Ein paarmal zog er seine
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